Auf einen Blick
- Galgen sorgt für Stunk in Seedorf BE. Grüne fühlen sich bedroht
- Streit um illegal asphaltierte Wege spaltet die Gemeinde
- Rückbau des Belags kostet die kleine Gemeinde rund 70'000 Franken
Kurz vor Weihnachten brennt in Seedorf BE der Baum. Mitten im Advent ist ein seit Jahren schwelender Streit vollends eskaliert. Weil Strassen ohne Bewilligung asphaltiert wurden, fuhren in den letzten Wochen Bagger auf. Der Belag musste aufgerissen und die Strassen wieder zu Mergelwegen zurückgebaut werden.
Der Unmut im Dorf im Berner Seeland ist riesig. Aber er richtet sich nicht gegen jene, die illegal asphaltieren liessen: Am Pranger stehen vielmehr die lokalen Grünen, die zusammen mit dem Landschaftsschutz Schweiz gegen sie vorgingen. «Dumm, blöde und unüberlegt» hätten die Grünen gehandelt, tönte es laut «Berner Zeitung» vor gut zwei Wochen an der Gemeindeversammlung in Seedorf.
«Galgen-Station für die Grünen»
Deutlich weiter ging Ernst Schranz (70). Der Rentner sorgte für den bisher traurigsten Höhepunkt im Asphalt-Streit, nachdem Ende November der makellose, aber illegale Belag vor seinem Haus abgetragen worden war. Schranz hängte einen Strick mit Schlinge auf. Und dazu das Transparent: «Galgen-Station für die Grünen».
Meint der das ernst? Vor allem die Mitglieder der örtlichen Grünen interessiert diese Frage. Wegen der aufgeheizten Stimmung im Dorf wollte sich auf Anfrage niemand öffentlich äussern. Blick entschied sich für einen Besuch bei Ernst Schranz. Der Pensionär wohnt in einem umgebauten Bauernhaus mit viel Umschwung, züchtet Damhirsche – und beschwichtigt: Hängen wolle er keinen. Die Aktion sei lediglich als Mahnmal gedacht: für die laut Schranz «hirnamputierten Grünen».
Der Wüterich liess es übrigens nicht bei seinem «Mahnmal» bewenden. Er wurde zudem bei der Gemeinde mit der Forderung vorstellig, man solle den Asphalt auch vor den Häusern der Grünen aufreissen. Sonst würden die nicht lernen, worum es ihm geht. Die Grünen ihrerseits verlangten, den Strick entfernen zu lassen – bisher allerdings vergebens.
«Eine groteske Posse»
Denn der Gemeinderat wurde in der Sache nicht aktiv. Gemeindepräsident Hans Schori (63) spricht von einer «grotesken Posse» in seinem Dorf. Den Galgen für die Grünen verurteilen will der ehemalige Berner SVP-Kantonsparlamentarier nicht. Schori verteidigt die Freiheit zur Meinungsäusserung: Anstand und Strafrecht seien zweierlei Paar Schuhe, sagt er.
Abgehängt wurde die «Galgen-Station» inzwischen trotzdem. Der Strick – samt historischem Flaschenzug – sei über Nacht gestohlen worden, klagt Schranz. Wegen des Diebstahls ist es nun er, der nach dem Rechtsstaat ruft. Am Freitag erschien im lokalen Anzeiger sein Inserat: Er gebe den Dieben bis zum 15. Januar Zeit, das Gestohlene zurückzugeben, sonst werde er Anzeige erstatten.
Die Grünen schalteten ebenfalls ein Inserat. Unter der Überschrift «Stopp – so nicht!» schreiben sie, dass mit der Gewaltandrohung eine Grenze überschritten worden sei.
Weihnachtswunsch des Gemeindepräsidenten
Schranz bestreitet, zu weit gegangen zu sein. Seine Aktion sei als Provokation zu verstehen. «Ich wollte mit dem Galgen zum Dialog aufrufen», sagt er sogar. Dass zumindest ein Strassenabschnitt vorerst vom Rückbau verschont blieb, sieht er als sein Verdienst. Einen Beitrag zum Dorffrieden geleistet hat Schranz mit seiner Aktion allerdings eher nicht.
Gemeindepräsident Schori wünscht sich indes nichts sehnlicher, als dass endlich Gras über die Asphalt-Affäre wächst. «Ich möchte Ruhe und Frieden zurück im Dorf, das ist mein Weihnachtswunsch», sagt er.
Im Hintergrund arbeitet seine Behörde bereits an einem neuen Verkehrsrichtplan. Der soll die Grundlage dafür schaffen, dass die zurückgebauten Strassen in ein paar Jahren erneut asphaltiert werden können – diesmal legal. Die nächste Runde der Asphalt-Posse im beschaulichen Berner Seeland ist also programmiert.