«Er hat mir mit Mord gedroht»
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Ex-Mann süchtig nach Tabletten:«Er hat mir mir Mord gedroht»

Der Ex-Mann von Uschi K. (77) wurde süchtig nach Beruhigungsmitteln
«Er drohte mir mit Mord!»

Während der Ehe mit Uschi K. (77) bekam Markus K. (74) Beruhigungspillen verschrieben. Er wurde süchtig, ohne die Tabletten hatte er schlimme Entzugserscheinungen. Als die Dosis erhöht wurde, drehte er durch und drohte seiner Frau mit dem Tod.
Publiziert: 11.08.2019 um 23:23 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2020 um 22:59 Uhr
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Uschi K. lebte jahrelang mit ihrem süchtigen Ehemann zusammen.
Foto: Claudio Meier
Helena Schmid

Wach zu sein, das ertrug Markus K.* (74) nicht mehr. Wenn er morgens aus dem Bett stieg, zitterte er am ganzen Körper. Sein Blick war leer. Er starrte durch alles und jeden hindurch: Das Frühstück, den Hund, sogar seine Frau. Dann schluckte er die nächste Tablette. Die Unruhe verschwand. Markus legte sich auf die Rückbank seines Autos. Und schlief weiter.

Monatelang musste Zürcherin Uschi K.* (77) zusehen, wie sich ihr Mann in die Müdigkeit flüchtete. Wie er täglich Pillen** schluckte, Beruhigungsmittel, vom Arzt verschrieben. Wie sein Antrieb schwand, seine Energie sich langsam auflöste. «Darunter hat unsere Ehe extrem gelitten», sagt Uschi K. «Und wegen dieser Tabletten muss ich mich mit 77 Jahren scheiden lassen.»

Die Hälfte nimmt es länger ein, als sie sollte

Die Pillen, die Markus K. schluckte, gehören zu den sogenannten Benzodiazepinen und wirken bei Angstzuständen und Schlafstörungen. Doch sie machen extrem schnell süchtig. Man sollte sie daher nicht länger als vier Wochen einnehmen. Trotzdem konsumiert knapp jeder 30. Schweizer den Wirkstoff über längere Zeit hinweg.

Gemäss Hochrechnungen der Helsana haben im Jahr 2017 rund 713'850 Personen in der Schweiz ein Benzodiazepin verschrieben bekommen – 80 Prozent wegen Schlafproblemen. Rund die Hälfte sind Langzeitbezüger, berichtete die «SonntagsZeitung».

Einer von ihnen ist Markus K.: Der Senior erhält das Medikament ursprünglich ebenfalls wegen Schlafstörungen. Eine halbes Gramm abends, so die Anweisung des Arztes. «Nach seiner Pensionierung begann er aber, auch am Tag zu konsumieren, einfach so», erzählt seine Frau.

Markus: «Ich sollte dir eine Kugel in den Kopf jagen»

Von da an geht das Paar kaum noch gemeinsam aus. Markus K. ist ständig müde. Uschi K: «Er vernachlässigte mich. Als ich wegen eines Herzinfarkts tagelang im Spital lag, besuchte er mich nie.»

Dennoch bringt sie es nicht übers Herz, ihn zu verlassen. Bis zum 2. März 2018. An jenem Morgen ist Markus aggressiv, droht seiner Frau: «Ich sollte dir eine Kugel in den Kopf jagen. Dann komme ich in die Kiste und bin dich los», sagt er zu ihr. Uschi K. kann nicht mehr. Sie geht zur Polizei.

Noch am gleichen Tag holen die Beamten Markus K. zu Hause ab. Er liegt im Bett, der Fernseher eingeschaltet, als die Polizei ihn abführt. Sofort wird er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Morddrohung wegen Entzug?

Kurze Zeit später findet Uschi K. leere Pillenpackungen in der Garage. Von Dezember 2017 bis zu seiner Einweisung in die Psychiatrie Anfang März hatte Markus 300 Tabletten geschluckt. Das sind drei bis vier Gramm täglich, die sechs- bis achtfache Dosis, die der Arzt ursprünglich vermerkt hatte! Immer wenn Markus die Packung leer hatte, kriegte er von seinem Hausarzt eine neue.

In einem psychiatrischen Gutachten vom März 2018, das BLICK vorliegt, wird Markus eine «mittelgradig-depressive Episode» attestiert. Dazu eine «Verhaltensstörung» und ein «Abhängigkeitssyndrom» durch «Sedativa», also Beruhigungsmittel.

Waren es die Pillen, die Markus dazu trieben, seiner Frau zu drohen? Erich Seifritz, Klinikdirektor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, erklärt: «Das Beruhigungsmittel an sich macht nicht aggressiv. Doch wirkt es nur einige Stunden. Danach können Entzugserscheinungen einsetzen: Zittern, Nervosität, Ängste – oder eben auch Aggression.»

«Völlig falsche Behandlung»

Uschi K. bemängelt, dass man die Depression ihres Mannes nicht erkannt habe: «Der Hausarzt hat ihn nicht einmal zum Psychiater geschickt!» Auch Experte Seifritz kritisiert, die Pillen seien in diesem Fall sicherlich die falsche Behandlung gewesen.

Bei Depressionen setze man im Normalfall Antidepressiva und Psychotherapie ein. «Benzodiazepine verschreibt man höchstens am Anfang, um den Patienten zu entlasten, bis die Antidepressiva wirken.»

Mittlerweile durfte Markus die psychiatrische Klinik verlassen, lebt nun in einem Wohnheim. Uschi K. hat die Scheidung eingereicht. Manchmal vermisse sie ihn, gesteht sie. «Aber ich bin dennoch froh, ist er weg. Jetzt geht mein Leben weiter.»

* Namen geändert

** Der Name des rezeptpflichtigen Beruhigungsmittels darf aufgrund der Schweizer Arzneimittelwerbeverordnung nicht genannt werden.

«Der Konsum gerät schnell ausser Kontrolle»

Über 700'000 Menschen in der Schweiz bekommen Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel, verschrieben. Die Medikamente werden häufig als Schlafmittel eingesetzt – trotz hoher Suchtgefahr!

Domenic Schnoz, Leiter der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs warnt: «Wir hören immer wieder von Fällen, in denen der Konsum von Benzodiazepinen ausser Kontrolle gerät.»

Aus therapeutischer Sicht seien diese Medikamente unverzichtbar – beispielsweise bei akuten Angststörungen. Als Schlafmittel werden sie aber häufig leichtsinnig verschrieben, vor allem an Senioren. «Der Schlaf verändert sich mit dem Alter. Vielen Senioren ist das nicht bewusst. Sie greifen zu Schlafmitteln, bräuchten sie aber gar nicht», sagt Schnoz.

Problematisch sei der Konsum dann, wenn er länger als vier Wochen andaure. Laut Statistik schlucken rund die Hälfte der Bezüger die Benzodiazepine über längere Zeit hinweg. Diese Menschen sind entweder schon süchtig oder akut suchtgefährdet.

Die Zahlen sind alarmierend, findet der Experte. Schlafstörungen solle man anders angehen. Schnoz rät: «Nach der erwähnten Frist sollte auf eine Therapie mit einem harmloseren Medikament oder auf verhaltenstherapeutische Behandlung umgestiegen werden.» Helena Schmid

Über 700'000 Menschen in der Schweiz bekommen Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel, verschrieben. Die Medikamente werden häufig als Schlafmittel eingesetzt – trotz hoher Suchtgefahr!

Domenic Schnoz, Leiter der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs warnt: «Wir hören immer wieder von Fällen, in denen der Konsum von Benzodiazepinen ausser Kontrolle gerät.»

Aus therapeutischer Sicht seien diese Medikamente unverzichtbar – beispielsweise bei akuten Angststörungen. Als Schlafmittel werden sie aber häufig leichtsinnig verschrieben, vor allem an Senioren. «Der Schlaf verändert sich mit dem Alter. Vielen Senioren ist das nicht bewusst. Sie greifen zu Schlafmitteln, bräuchten sie aber gar nicht», sagt Schnoz.

Problematisch sei der Konsum dann, wenn er länger als vier Wochen andaure. Laut Statistik schlucken rund die Hälfte der Bezüger die Benzodiazepine über längere Zeit hinweg. Diese Menschen sind entweder schon süchtig oder akut suchtgefährdet.

Die Zahlen sind alarmierend, findet der Experte. Schlafstörungen solle man anders angehen. Schnoz rät: «Nach der erwähnten Frist sollte auf eine Therapie mit einem harmloseren Medikament oder auf verhaltenstherapeutische Behandlung umgestiegen werden.» Helena Schmid

Zehntausende Pillentote pro Jahr

Seit einiger Zeit hat die Opioid-Krise die USA im Griff und fordert pro Jahr mehr Tote als der Strassenverkehr. Die nackten Zahlen sind erschreckend: 2018 starben 68'600 Menschen an einer Überdosis, ein Jahr zuvor waren es noch 72'200 Tote gewesen. Und das Bild des Heroinsüchtigen, der mit der Spritze im Arm stirbt, ist falsch: Bei zwei Dritteln dieser Toten war eine Opioid-Überdosis die Todesursache. Das übermässige Verschreiben sowie der unerlaubte Verkauf der Schmerzmittel hat dazu geführt, dass in Nordamerika die Zahl der Menschen, die an einer Opioid-Überdosis sterben, in die Höhe geschnellt ist. Laut des US-Anwaltsverbandes sind verschreibungspflichtige Medikamente das zweithäufigste Suchtmittel hinter Alkohol. US-Präsident Donald Trump rief 2017 wegen der Opioid-Krise offiziell den nationalen Notstand aus.

Seit einiger Zeit hat die Opioid-Krise die USA im Griff und fordert pro Jahr mehr Tote als der Strassenverkehr. Die nackten Zahlen sind erschreckend: 2018 starben 68'600 Menschen an einer Überdosis, ein Jahr zuvor waren es noch 72'200 Tote gewesen. Und das Bild des Heroinsüchtigen, der mit der Spritze im Arm stirbt, ist falsch: Bei zwei Dritteln dieser Toten war eine Opioid-Überdosis die Todesursache. Das übermässige Verschreiben sowie der unerlaubte Verkauf der Schmerzmittel hat dazu geführt, dass in Nordamerika die Zahl der Menschen, die an einer Opioid-Überdosis sterben, in die Höhe geschnellt ist. Laut des US-Anwaltsverbandes sind verschreibungspflichtige Medikamente das zweithäufigste Suchtmittel hinter Alkohol. US-Präsident Donald Trump rief 2017 wegen der Opioid-Krise offiziell den nationalen Notstand aus.

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