Das Quereinsteiger-Programm wird für sie zum Glücksfall
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Libanesin Zeinab Charaf Eddine:Das Quereinsteiger-Programm wird für sie zum Glücksfall

Denis Haeberlin wird vom Büroangestellten zum Rezeptionisten
«Im Tourismus habe ich bessere Chancen»

Denis Haeberlin (46) wollte sich neu orientieren und begann die Hotelfachschule. Die Pandemie, sein Alter und eine Bedingung seiner Frau liessen ihn seine Pläne ändern.
Publiziert: 10.07.2022 um 19:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2022 um 11:37 Uhr
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Denis Haeberlin (46) macht eine Quereinsteiger-Ausbildung im Seminarhotel Sedartis in Thalwil ZH. Er hat lange Zeit in Büros gearbeitet, seine Frau hat ihn zu einer Umorientierung inspiriert.
Foto: Nathalie Taiana
Jonas Dreyfus

Denis Haeberlin (46) kann, was ein Rezeptionist können muss: Zahlen aus dem Stegreif herunterrattern. 40 Zimmer mit Terrasse oder Balkon, sagt er, habe das Hotel Sedartis in Thalwil ZH, in dem er eine Ausbildung als Quereinsteiger macht, und zehn Seminar- und andere Eventräume mit Tageslicht, in denen bei Feiern 100, bei Plenumsveranstaltungen 150 und bei Stehapéros 180 Personen Platz hätten.

Ursprünglich machte der Thurgauer eine KV-Lehre. Zuletzt arbeitete er als Administrator für das Staatssekretariat für Migration am Flughafen Zürich. Daneben reiste er oft. Dass sich Haeberlin für die Hotelbranche zu interessieren begann – dafür ist seine Frau mitverantwortlich, eine Neuseeländerin. Er lernte sie 2017 bei einem Trip in Indonesien kennen, sie arbeitete als Primarlehrerin in einer englischsprachigen Schule in Südkorea.

Das Paar führte eine Fernbeziehung, 2018 heirateten es in Island. «Das war für beide gut erreichbar.» Später zog sie zu ihm in die Schweiz mit der Bedingung, dass er eine Ausbildung macht, die er auch im Ausland brauchen kann, wie sie ihre als Primarlehrerin. Er hätte gerne in Südkorea gearbeitet, doch mit einem kaufmännischen Hintergrund ist er nicht besonders gefragt auf dem Arbeitsmarkt im Ausland. «Im Tourismusbereich habe ich bessere Chancen.»

«Ich werde auch nicht jünger»

Haeberlin begann mit der Hotelfachschule in Luzern. Doch als Corona ausbrach, wurde es plötzlich schwierig, die Praktikumsstellen zu finden, die fürs Studium gemacht werden müssen. Zudem sei er unsicher gewesen, ob sich für ihn eine Ausbildung lohne, die rund 50'000 Franken kostet und die mindestens drei Jahre dauert. «Ich werde auch nicht jünger.»

Mit dem, was man in der Hotelfachschule lerne, könne man ein grosses Hotel führen, sagt Haeberlin. «Doch für die Pläne, die meine Frau und ich haben, brauche ich diese fundierte Ausbildung nicht.» Die beiden träumen davon, irgendwann mal irgendwo im Ausland ein ökologisch und nachhaltiges Bed and Breakfast zu führen und nebenher als Tour-Guides zu arbeiten. «Dafür ist das, was ich im Quereinsteigerprogramm lerne, perfekt.»

Lebenserfahrung kann Ruhe ins Team bringen

Ein Quereinsteiger wie Haeberlin könne einem Team guttun, sagt Martin von Moos, Direktor des Hotels Sedartis, Präsident der Zürcher Hoteliers und Initiator des Quereinsteigerprojekts. «Wir haben noch eine weitere Quereinsteigerin in der Küche, die schon 50 ist und Kinder grossgezogen hat. Eine Person mit dieser Lebenserfahrung bringt eine gewisse Ruhe ins Team.» Oder jemand, der Sprachkenntnisse besitze: Herr Haeberlin habe schon monatelang im Ausland gearbeitet und spreche wahrscheinlich besser Englisch als jemand, der gerade frisch eine Lehre in der Hotellerie absolviert habe.

Bevor Haeberlin auf eine Frage antwortet, überlegt er manchmal ein paar Sekunden. Er hat die Zurückhaltung eines Buchhalters, ohne uncharmant zu wirken. Man kann sich vorstellen, wie er mit schwierigen Gästen umgeht – oder «anspruchsvollen», wie sie von Hotelangestellten genannt werden. «Doch das überlasse ich im Moment noch meinen Kollegen.»

Ein Pilotprojekt mit Pioniercharakter

Schweizer Hotels sind in Not. Denn was den Wirtschaftsstandort unseres Landes als Ganzes bedroht, trifft den Tourismus besonders hart: der Fachkräftemangel. Drei von vier Hotels finden keine Leute.

Der Dachverband Hotelleriesuisse lässt deshalb seit April im Rahmen eines Pilotprojekts im Kanton Zürich Quereinsteiger im Bereich Rezeption und Küche ausbilden. Das Programm dauert ein Jahr und sieht – ähnlich einer Lehre – 80 Prozent Arbeit in einem Betrieb und 20 Prozent Schule vor. Voraussetzung ist ein Lehrabschluss oder eine Matur.

«Wir waren positiv überrascht, wie viele Personen sich für das Programm interessieren», sagt Janine Bolliger vom Projektteam. Statt der erwarteten 50 Personen meldeten sich 500 Interessierte. 150 davon wollten sich danach bewerben. Das seien weit mehr gewesen, als die 23 Hotels, die beim Projekt mitmachen, hätten aufnehmen können, sagt Bolliger.

Schlussendlich erhielten von den 150 Bewerbern 24 den Vertrag mit einem der Hotels und wurden ins Quereinsteigerprogramm aufgenommen. Man wolle es so bald wie möglich ausweiten, sofern sich ein Erfolg abzeichne, sagt Bolliger. Das heisst unter anderem, dass die Quereinsteiger längerfristig eine Stelle finden.

Das SonntagsBlick Magazin hat drei Quereinsteiger an ihrem Ausbildungsort besucht, sie die ersten Monate Ausbildung rekapitulieren lassen und mit ihnen über die Motivation gesprochen, jetzt in diese arg gebeutelte Branche einzusteigen.

Schweizer Hotels sind in Not. Denn was den Wirtschaftsstandort unseres Landes als Ganzes bedroht, trifft den Tourismus besonders hart: der Fachkräftemangel. Drei von vier Hotels finden keine Leute.

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