Das Velo-Drama von Oberembrach ZH
«Es tut mir so unendlich leid»

Seit einem Monat hatte Lukas W. (18) das Billett. Jetzt muss er damit leben, dass er einen Velofahrer übersah.
Publiziert: 05.05.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 18:49 Uhr
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Lukas W. (18, Mitte) mit seinen Eltern Andrea (42) und Markus (46) auf dem Betrieb der Familie in Buch am Irchel ZH.
Foto: TOINI LINDROOS
Von Marlene Kovacs

Der Landwirtschaftslehrling aus Buch am Irchel ZH wünscht sich nur eines: «Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen», sagt Lukas W.* Zurück zum Mittwochmorgen, kurz vor sechs Uhr.

Die Zeit, bevor auf der Eigentalstrasse in Oberembrach ZH jener Verkehrsunfall passierte, der sein Leben und das anderer für immer verändert.

«Ich bin ganz normal gefahren. Nicht zu schnell. Es gab ein paar Nebelschwaden, es war dämmrig», erzählt Lukas W. Plötzlich knallte es! «Ich bremste so­fort. Zuerst dachte ich, dass mir ein Reh vors Auto gerannt ist», so der Stift. «Ich fuhr rückwärts zur Stelle. Erst dann habe ich gemerkt, dass da ein Velofahrer am Boden liegt! Ich habe ihn einfach nicht gesehen.»

Beide waren auf dem Weg zur Arbeit: Lukas W. fuhr mit seinem schwarzen Opel Corsa zum Lehrbetrieb. Claudio D.* (†46), Gebäudeautomatiker aus Ober­embrach, war mit seinem Rennvelo unterwegs an seinen Arbeitsplatz in Zürich-Seebach.

Der Opel rammt das Fahrrad. Claudio D. fliegt durch die Luft, bleibt schwer verletzt liegen. Die Ambulanz bringt ihn ins Spital. Dort stirbt der Rennvelofahrer noch am Mittwochmorgen. Am Tag vor seinem sechsten Hochzeitstag. Ehefrau Angelica D.* (46) ist untröstlich (BLICK berichtete).

Die Polizei hat Lukas W. den Führerausweis abgenommen. Er hatte ihn erst seit einem Monat. «Aber die­se Strecke bin ich schon davor immer mit meinem Töff gefahren», versucht der 18-Jährige zu erklären.

«Wir stehen alle unter Schock», sagt Lukas’ Vater Markus W.* (46). Die Eltern halten zu ihrem Sohn, versuchen ihn durch diese schwierige Zeit zu begleiten. «Auch unsere Familie hat schon einmal durch einen tragischen Unfall jemanden verloren», sagt Lukas’ Mutter Andrea W.* (42). «Deshalb können wir uns ein Stück weit in die Familie des Opfers einfühlen. Wir kennen beide Seiten.»

Für ihren Sohn seis jetzt nicht leicht. «Es ist schlimm, dass Lukas in so jungen Jahren etwas Schlimmes passieren musste. Er ist doch ein vorsichtiger, zuverlässiger junger Mann. Doch unser Mitgefühl gilt in diesem Moment der Familie des Opfers», sagt die Landwirtin. «Irgendwie muss es weitergehen. Und wir hoffen, dass Lukas es irgendwann schafft zu lernen, damit umzugehen, was passiert ist.»

Das hofft auch Lukas. Einen grossen Vorsatz hat er schon gefasst. «Ich will mich bei der Familie des Opfers melden», sagt der Lehrling. «Zuerst werde ich ihnen einen Brief schreiben und sagen, wie unendlich leid es mir tut.»

*Namen der Redaktion bekannt

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