Die ersten Gastarbeiter aus Portugal kamen in den 1970er-Jahren. Inzwischen sind sie hinter den Italienern und Deutschen zur drittgrössten Ausländergruppe in der Schweiz geworden. Zurzeit leben rund 270’000 Portugiesen hier, Tendenz steigend. Viele stammen aus kleinen Dörfern der Provinz Braga, denn im nördlichen Landesinnern litten und leiden die Leute am meisten unter der Wirtschaftskrise.
Es fällt auf: Nur wenige Portugiesen schaffen es in der Schweiz in eine Führungsposition. Dafür sind die Männer auf jeder Baustelle anzutreffen, wo sie körperlich harte Arbeit verrichten. Ihre Frauen halten oft als Putzkräfte die Schweizer Spitäler, Hotels und Haushalte sauber.
Fast ein Viertel bricht nach vier Jahren Schule ab
Dass Portugiesen Billig-Jobs verrichten, hat seinen Grund. Portugiesen haben im Vergleich zu anderen Migrantengruppen einen niedrigen Bildungsstand. Bis zur Nelkenrevolution, die 1974 das Ende der Diktatur besiegelte, war das Bildungssystem in Portugal miserabel.
Aber auch heute ist es nicht viel besser. Vorgeschrieben ist zwar seit kurzem der Besuch von zwölf Schuljahren, aber 23 Prozent besuchen die Schule nur bis zur vierten Klasse! Berufslehren auf Schweizer Niveau gibt es nicht. Die Zürcherin Isabel Bartal (53), Soziologin mit Spezialgebiet Migration, sagt: «Viele Schüler verlassen die Schule schon frühzeitig, die Kontrollen funktionieren schlecht.»
Dazu komme, dass es während der ganzen Schulzeit keine Selektion gebe. Das heisst, alle Leistungsniveaus sind in der gleichen Klasse vereint. Da geben die Leistungsschwächeren gerne auf, während die Leistungsstarken gebremst werden.
Keine Schulmotivation durch die Eltern
Isabel Bartal weiss, wovon sie spricht. Die portugiesisch-schweizerische Doppelbürgerin war Projektleiterin der 2010 veröffentlichten Studie «Die portugiesische Bevölkerung in der Schweiz», herausgegeben vom Bundesamt für Migration.
Diese Studie zeigt unter anderem, dass es portugiesische Schüler in der Schweiz schwieriger haben als andere. Im Vergleich mit Schweizer Kindern brauchen doppelt so viele Portugiesen zusätzliche schulische Unterstützung. An den Gymnasien sind Portugiesen unterdurchschnittlich vertreten. Eine Rolle spielen dabei die Eltern: Sie vermitteln ihren Kindern, dass Arbeiten wichtiger sei als eine hohe Schulbildung.
Chrampfen, verdienen und schnell wieder heim
Portugiesen geniessen zwar wegen ihres Arbeitswillens einen guten Ruf, fallen aber überdurchschnittlich oft aus. Laut Studie ist ihre IV-Rate fast zweimal höher als jene der Schweizer, weil sie wegen ihrer körperlich anstrengenden Arbeit oft unter Gelenk- und Rückenbeschwerden leiden.
Neben dem Bildungsrückstand haftet den Portugiesen ein weiterer Makel an: der mangelnde Integrationswille. Das hängt einerseits damit zusammen, dass sie wegen ihrer niedrigen Bildung nur schwer eine Fremdsprache erlernen. Auf der anderen Seite haben sie gar kein Interesse an der Bindung zur Schweiz. Viele Portugiesen kommen aus rein wirtschaftlicher Not, in der Absicht, Geld zu verdienen – um nach einigen Jahren wieder nach Hause zurückzukehren.
«Unsichtbar, aber unentbehrlich»
Isabel Bartal, die 1984 der Liebe wegen in die Schweiz kam, erklärt: «Portugiesen sind eher Pendler als Immigranten. Ihr wirtschaftliches Zentrum ist zwar die Schweiz, ihr Zuhause aber bleibt Portugal.» Mit den billigen Flügen nutzten sie jede Gelegenheit, nach Hause zu fliegen – sei es, um Verwandte zu sehen oder einfach, um den Zahnarzt zu besuchen.
Für Isabel Bartal sind die Portugiesen in der Schweiz «unsichtbar, aber unentbehrlich». Sie besetzen keine Führungsjobs, verrichten dafür harte und schmutzige Arbeiten, die kein Schweizer machen wolle. Bartal: «Sie sind Helden des Alltags.»