Darum haben rumänische Diebesbanden leichtes Spiel
Kaum zu fassen!

Kriminelle Roma-Clans haben Hochsaison. Sie klauen in Einkaufscentern, Altersheimen oder schleichen in Wohnungen. Doch oft sind sie nur kurz in Haft und können dann wieder auf Diebestour. Warum? BLICK ging dem Problem nach.
Publiziert: 22.02.2017 um 00:01 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:35 Uhr
1/12
Hier filmt eine Überwachungskamera, wie zwei Rumäninnen (23 und 24) kürzlich in Oftringen AG in ein Altersheim schleichen – sie sind bereits wieder frei.
Foto: zVg
Ralph Donghi

Sie ziehen durchs Land, stehlen und versetzen Bürger in Angst und Schrecken: Kriminelle Banden, die nur in Ausnahmefällen geschnappt werden. So wie zwei rumänische Kriminaltouristen (24 und 36 Jahre alt) am Montag in Baden AG. Sie waren in einem Renault mit deutschem Kennzeichen unterwegs, der in Zusammenhang mit einem Einbruch in Lenzburg AG aufgefallen war. Die Insassen konnten nicht sagen, was sie dort wollten. Die Folge: Festnahme!

Leider kommt es nur selten zu Fahndungserfolgen. Und meist kommen die Diebe schnell wieder frei. Wie die zwei Rumäninnen, die kürzlich in einem Altersheim in Oftringen AG Seniorinnen ausrauben wollten. Sie wurden wegen Hausfriedensbruch und versuchtem Betrug zu bedingten Geldstrafen sowie Bussen verurteilt. Immerhin: Die drei Rumänen, die zuvor in Walterswil SO in ein Haus eingestiegen waren, sitzen nun für drei Monate in U-Haft.

Familien-Clans regeln und organisieren die Klau-Touren

Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Urteilen? Wie sind diese Banden organisiert? Und wo liegt das Problem? Vieles beginnt im Elsass – nahe Strassburg (F). Dort leben Tausende Rumänen in Wohnwagen. «Es sind Familien-Clans, die schon mal aus Riesen-Camps mit bis zu 5000 Menschen bestehen», sagt der ehemalige Basler Kriminalkommissar Markus Melzl (65). Es gibt oft einen Camp-Chef, der schwer ausfindig zu machen ist. Und: «Wenn die Polizei dort Razzien durchführt, verrät niemand ein Familienmitglied.» Diebesgut ist meist schon verkauft worden – in Spanien oder Portugal. Dass Roma auf Diebestour in die Schweiz kommen, ist kein neues Phänomen. Melzl sagt aber: «Seit der EU und den offenen Grenzen kommen diese Leute natürlich einfacher in die Länder des Schengenraums.»

Momentan ist Hochsaison. Roland Pfister von der Kantonspolizei Aargau: «Seit Anfang 2017 stellen wir wieder vermehrt fest, dass Personen, vor allem osteuropäischer Herkunft, als Kriminaltouristen in Erscheinung treten.»

Kinder klauen in Warenhäusern, Frauen in Altersheimen, Männer steigen in Häuser ein

Auffallend: Die potenziellen Täter kommen in Autos mit französischen, italienischen oder deutschen Kennzeichen. «Es reisen täglich mehrere Dutzend solcher Tätergruppen ein», sagt Melzl. «Es sind Profis. Die Kinder werden zum Klauen in Geschäfte geschickt, die Frauen in Altersheime und die Männer begehen Einschleichdiebstähle.» Nur: Wenn bei den Dieben gestohlene Ware gefunden wird, sagen sie meist, dass sie nicht ihnen gehöre oder werfen sie kurzerhand weg. «Wenn es keine DNA-Spuren oder Videobilder gibt, wird es für die Ermittler sehr schwierig», sagt Melzl.

Ein weiteres Problem: Das Tempo und die Mobilität. «So schnell, wie sie in unserem Zuständigkeitsgebiet in Erscheinung treten, so schnell sind sie auch wieder weg», sagt Pfister. «Nach verübtem Einbruchsdelikt kommt es zu Grenzübertritten ins nahe Ausland.» Die Beute wird geschickt in Fahrzeugen versteckt oder weitergegeben.

Wird ein Täter gefasst, kann ihn die Polizei nur 24 Stunden festhalten. Stellt die Staatsanwaltschaft innert weiteren 24 Stunden keinen Antrag auf U-Haft beim Zwangsmassnahmengericht oder wird der nicht bewilligt, kommen die Täter frei. Wann werden U-Haft-Anträge gestellt? «Es kommt auf das Delikt, die Beweislage und die Vorstrafen an», sagt Fiona Strebel von der Aargauer Staatsanwaltschaft. «Bei Einbrechern stellen wir in der Regel einen Haftantrag.» Die Mehrheit wird gutgeheissen.

Oft keine Verurteilung, weil es an Beweisen mangelt

Und die Urteile? «Das hängt von der Delikthöhe, der Anzahl Delikte und vom Vorleben der Täterschaft ab», so Strebel. «Falls keine Vorstrafen vorhanden sind, gibt es einen Strafbefehl mit bedingter Geldstrafe und Busse.» Oft gibt es mangels Beweisen keine Verurteilung.

Melzl erklärt: «Man kann diese Leute dann nicht einfach an die Grenze begleiten, wenn sie keinen Landesverweis erhalten haben.» Für einen solchen braucht es ein schwereres Delikt. «In erster Linie müssten an den Grenzen verschärftere Kontrollen stattfinden. Vor allem auch bei der Ausreise solcher Leute.» Aber dazu fehle das Personal. «Das ist das Dilemma», sagt Ex-Kommissar Melzl.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?