Dank Schweizer Implantat
Parkinson-Patient kann wieder normal gehen

Dank eines Schweizer Implantats im Rückenmark kann ein Parkinson Patient aus Frankreich endlich wieder laufen. Neben dem Patienten sind auch die Forscher begeistert von dem Erfolg.
Publiziert: 06.11.2023 um 17:01 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2023 um 17:47 Uhr
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Der Parkinson-Patient Marc (M.) mit den beiden Neurowissenschaftlern Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine.
Foto: Keystone/VALENTIN FLAURAUD

Mit einem Implantat im Rückenmark haben Schweizer Forschende die Probleme beim Gehen eines Parkinson-Patienten korrigiert. Der 62-Jährige kann nun wieder flüssig und ohne zu stürzen gehen, wie eine am Montag im Fachblatt «Nature Medicine» publizierte Studie zeigt.

«Ich kann jetzt mit viel mehr Selbstvertrauen gehen. Mein Alltag hat sich enorm verbessert», sagte der Patient Marc aus Frankreich an einem Medienbriefing zur Studie. Ihm wurde die sogenannte Neuroprothese implantiert, die ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine vom Universitätsspital Lausanne (Chuv) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) entwickelt hatten.

90 Prozent aller Patienten haben Mobilitätseinschränkungen

Beeinträchtigungen der Körperhaltung, des Gleichgewichts und des Gangs betreffen rund 90 Prozent aller Parkinson-Patientinnen und -Patienten im fortgeschrittenen Stadium, wie die Forschenden in der Studie schreiben. Ein typisches Symptom von Parkinson ist laut den Forschenden ein plötzliches Blockieren von Bewegungen, das als Freezing bezeichnet wird.

Typischerweise werde Parkinson mit Dopamin und Elektroden im Hirn, der sogenannten tiefen Hirnstimulation, therapiert, erklärten das Chuv und die EPFL in einer Mitteilung. Gegen Gangstörungen seien diese Therapien aber oft nicht wirksam.

So auch bei Marc. Der Patient aus Bordeaux (F) lebt seit 1996 mit der Parkinson-Krankheit. In den frühen Stadien der Krankheit half ihm eine Dopamintherapie und später eine Tiefenhirnstimulation, wie er am Medienbriefing erzählte. Zuletzt entwickelte er jedoch schwere Gangstörungen. «Ich konnte praktisch nicht mehr gehen. Ich bin fünf- bis sechsmal am Tag umgefallen», sagte Marc. «Oft bin ich deswegen einfach zu Hause geblieben.»

Elektroden stimulieren Rückenmark

2021 wurden ihm dann die Lausanner Neuroprothese ins Rückenmark implantiert. Der Patient bezeichnete diese Therapie als Wiedergeburt. Heute benutze er seine Neuroprothese etwa acht Stunden am Tag und schalte sie nur aus, wenn er längere Zeit sitze oder schlafe, sagte er.

Die Neuroprothese besteht aus Elektroden im Rückenmark und einem elektrischen Impulsgenerator, der unter der Bauchhaut implantiert wurde. Die Elektroden im Rückenmark stimulieren sogenannte Motor-Neuronen und aktivieren so gezielt die Muskeln.

Um die richtigen Neuronen zur richtigen Zeit zu stimulieren, trägt der Patient Sensoren an beiden Beinen. Sie dienen dazu, die motorischen Absichten und Bewegungsmuster des Patienten zu erfassen und diese Informationen an die Neuroprothese weiterzugeben. Eine Software übersetzt diese Messungen in elektrische Impulse.

«Die Idee, eine Neuroprothese zu entwickeln, die das Rückenmark elektrisch stimuliert, um den Gang zu harmonisieren und die Bewegungsstörungen bei Parkinson-Patienten zu korrigieren, ist das Ergebnis mehrjähriger Forschung», sagte Courtine in der Medienmitteilung der beiden Institutionen.

Weitere Studien nötig

Das Innovative daran sei, dass die Therapie nicht auf die Gehirnregionen abziele, die unmittelbar vom Verlust der Dopamin produzierenden Neuronen betroffen seien, sondern auf den Bereich des Rückenmarks, der für die Aktivierung der Beinmuskulatur verantwortlich sei.

«Ich glaube wirklich, dass diese Ergebnisse realistische Perspektiven eröffnen, um eine Behandlung zu entwickeln, die Gangstörungen aufgrund von Parkinson lindert», sagte Bloch am Medienbriefing.

Bis jetzt wurde die Wirksamkeit der Neuroprothese allerdings lediglich an einem Patienten getestet. Bevor das Implantat breit verfügbar sein wird, werden noch weitere Studien notwendig sein. Die Forscherinnen und Forscher hoffen, im Laufe der nächsten zwei Jahre sechs weiteren Patientinnen und Patienten eine entsprechende Neuroprothese zu implantieren.

Ausserdem müsse die Prothese noch weiter optimiert werden, betonten die Forschenden in der Studie. Eine Einschränkung der Neuroprothese sei, dass sie eine gute kognitive Leistungsfähigkeit des Patienten erfordere, da sie die Bewegungen verstärke. «Man muss konzentriert sein, wenn die Stimulation aktiviert ist», bestätigte auch der Patient Marc. (SDA)

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