«Ging eigentlich davon aus, dass das niemand isst»
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Beizer Daniel Sahli:«Ging eigentlich davon aus, dass das niemand isst»

Daniel Sahli (59) vom Bahnhöfli in Kallnach BE schliesst Gräben
Dorfbeizer serviert vegane Cordon bleus

Über 100 verschiedene Cordon bleus serviert Daniel Sahli in seinem Restaurant in Kallnach BE. Warum er als Fleischtiger auch Veganes im Angebot hat.
Publiziert: 22.01.2023 um 10:18 Uhr
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Aktualisiert: 22.01.2023 um 14:10 Uhr
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Beizer Daniel Sahli beim Zubereiten eines veganen Cordon bleus.
Foto: Thomas Meier
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Dana LiechtiRedaktorin SonntagsBlick

Das isst doch niemand», hätten ihm die Leute im Dorf am Anfang gesagt. Und gelacht. Aber wenn Daniel Sahli (59) sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er es auch durch. So kam es, dass der Beizer im Berner Seeland vor 13 Jahren zum ersten Mal ein veganes Cordon bleu servierte – lange bevor Hafermilch und Pouletersatz auf Erbsenbasis ihren Weg in die Regale der Supermärkte fanden.

74 verschiedene Cordons bleus auf Fleischbasis bietet das Restaurant an

Donnerstagnachmittag, Restaurant Bahnhof in Kallnach BE: In der Gaststube – holzgetäfelte Wände, massive Tische, rote Tischtücher – sitzen ein paar Männer beim Bier, diskutieren über Gott und die Welt. Sahli kennt sie alle beim Vornamen. Er ist ein Beizer wie aus dem Bilderbuch: gmögig, direkt, anpackend. Seit zwei Jahrzehnten wirtet er in dem 2281-Seelen-Dorf, mittlerweile ist das Bahnhöfli weit über die Region hinaus bekannt. Vor allem für eines: Cordons bleus. Allein 74 verschiedene fleischige Sorten bietet Sahli an, mit Steinpilzen, Senffrüchten oder Sambal Oelek, in drei Grössen, für die Hungrigsten brät er Stücke, die 600 Gramm auf die Waage bringen. Pro Jahr verarbeitet er mehr als eine Tonne Schweinefleisch – das er vom Metzger und aus der Region bezieht. «Das ist mir wichtig», sagt Sahli, der sich selbst als Fleischtiger bezeichnet.

Dass ausgerechnet er schon so lange und erst noch in einer urchigen Dorfbeiz eine vegane Alternative zum Cordon bleu anbietet – also zu jenem Gericht, das wohl die meisten tierischen Produkte in sich vereint –, überrascht.
Auf die Idee habe ihn eine Kollegin gebracht, sagt Sahli. «Eine Tierschützerin. Sie fragte mich, ob ich nicht auch mal ein veganes Cordon bleu zubereiten könnte.» Zuerst habe er den Kopf geschüttelt: «Ich wusste ja nicht mal, was vegan bedeutet.» Aber dann habe er es einfach ausprobiert.

25 rein vegane Cordons bleus stehen den Gästen zur Auswahl.


Heute ist die Zubereitung für ihn das Normalste der Welt. «Ich verwende Plätzli aus Seitan von einem lokalen Anbieter, Käseersatz auf Mandelbasis und veganen Schinken – ich nenne ihn Pseudoschinken», sagt Sahli und lacht.

Mit geübten Handgriffen legt er veganen Käse und Schinken auf ein Seitanplätzli, würzt es, legt ein zweites Plätzli darauf. Er wendet das Ganze in einer Mischung aus Ei-Ersatzpulver und Wasser, schwenkt es dann in einer grossen Schüssel mit Paniermehl. Kurz darauf brutzelt das Cordon bleu im Pflanzenfett auf dem Grill. Später garniert Sahli das Gericht mit frischen Kräutern und einem Zitronenschnitz.

600 Gramm wiegt das grösste Cordon bleu im Angebot.

Heute besteht jedes zehnte Cordon bleu, das er im Restaurant Bahnhof auftischt, aus pflanzlichen Zutaten. Zum Verfechter der veganen Küche ist Daniel Sahli trotzdem nicht geworden: «Diese Weltverbesserer, die sagen, alle sollten vegan essen, verstehe ich nicht. Das ist für mich Blödsinn!» Seine Vision ist eine andere: «Ich will, dass Veganer, Vegetarier und Fleischesser alle zusammen an einem Tisch sitzen, bestellen können, was für sie stimmt, und zufrieden sind – ohne dass einander Vorwürfe gemacht werden.» Sahli, der Vermittler.

Im Bahnhöfli treffen hie und da Welten aufeinander. Doch beim Genuss von knuspriger Panade und geschmolzenem Käse – egal, ob tierischen oder pflanzlichen Ursprungs – dürfte sich so mancher Graben schliessen.

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