Daniel Moser, Sie werden als «der Schweizer Spion» bezeichnet. Waren Sie einer?
Ich habe mich nie als Spion empfunden. Als der Nachrichtendienst mit dieser Anfrage an mich herangetreten ist, ob ich aufgrund meiner guten Kontakte in Deutschland mit persönlichen Angaben über drei in der Schweiz tätige Steuerfahnder dienen könnte, zögerte ich keine Sekunde. Ich habe es als eine Riesen-Sauerei empfunden, dass die deutschen Steuerbehörden gestohlene Schweizer Bankdaten von deutschen Kunden ankauften.
Vor Gericht sagten Sie, Sie hätten als Patriot gehandelt?
Absolut. Ich habe im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes gehandelt und keinen Moment gezweifelt, dass dies im Interesse der Schweiz ist.
Waren Sie sogar ein Doppelspion, der einmal für und einmal gegen die Schweiz gearbeitet hat?
Ich bin kein Doppelagent. Diese Behauptungen taten mir weh. Ich würde nie gegen die Interessen der Schweiz handeln. Ich bin stolz, Schweizer zu sein. Mein deutscher Anwalt Robert Kain, der neben Valentin Landmann ein absoluter Glücksfall für mich ist, hat mich mit den wichtigsten Presseberichten versorgt. Ich habe Sachen über mich gelesen, die ich selber noch nicht gewusst habe ...
Glauben Sie, dass die deutschen Behörden nur passiv geklaute Bankdaten aus der Schweiz gekauft haben oder sind Sie der Meinung, der deutsche Bundesnachrichtendienst habe gezielt Leute darauf angesetzt?
Anwalt Valentin Landmann: Die deutschen Behörden haben keineswegs nur passiv Bankdaten gekauft, die ihnen angeboten wurden. Der Bundesnachrichtendienst oder deutsche Steuerfahnder haben vielmehr Agenten in die Schweiz geschleust und sie darauf angesetzt, gestohlene Bankdaten zu beschaffen. Es ist auch bekannt, dass bei der CS ein Maulwurf platziert wurde. Wer der Schweiz auf den Kopf pinkelt, muss sich nicht wundern, wenn zurückgepinkelt wird. Auch wenn sie in letzter Zeit dazu übergegangen ist, sofort auf die Knie zu fallen.
Herr Moser, wie viel haben Sie mit der Aktion in Deutschland überhaupt netto verdient?
Genau 13'000 Euro. 3000 Euro für die Personaldaten der deutschen Steuerfahnder, dazu 10'000 Euro für den Versuch, eine Quelle in der Wuppertaler Steuerverwaltung zu installieren. Das übrige Geld, 50'000 Euro, das ich vom Nachrichtendienst erhalten habe, gab ich meinem deutschen Partner weiter. Doch ich glaube, dass der nichts gemacht und das Geld in den eigenen Sack gesteckt hat. In diesem Business riskiert man, dass man beschissen wird. Ich vermute, dass er ein doppeltes Spiel gespielt hat. Denn ich weiss, dass er von der deutschen Strafverfolgungsbehörde überhaupt nicht angefasst wird.
Hat Sie Ihr Geschäftspartner auffliegen lassen?
Ja, es zeigt mir, dass er mit den Behörden vielleicht einen Deal getätigt hat. Das gehört halt zum Risiko.
Valentin Landmann: Das Ziel dieses sogenannten Maulwurfauftrags wäre gewesen, herauszufinden, unter welchem Falschnamen deutsche Steuerfahnder in die Schweiz reisen, um Wirtschaftsspionage zu betreiben. Es wurden aber nie solche Leute aufgegriffen. Das zeigt, dass die Maulwurfsache nicht funktioniert hat.
Haben Sie, wie es Ihnen die Bundesanwaltschaft vorwirft, mit Schweizer Bankdaten gehandelt?
Daniel Moser: Das stimmt nicht. Ich habe zu keiner Zeit echte Bankkundendaten von Schweizer Banken verkauft.
Die Daten war doch gefälscht?
Genau und dies habe ich auch gewusst. Ich habe sie von meinem israelischen Geschäftspartner aufbereiten lassen. Ich hatte vermutet, dass die Anfrage an mich, solche Daten zu besorgen, eine Strafaktion der deutschen Behörden gegen mich gewesen ist. Gegen mich, der gegen Deutschland tätig war. Dies habe ich bei der Bundesanwaltschaft bereits ausgesagt.
Das ist neu für mich. Was war denn Ihr Ziel?
Ich wollte die deutschen Auftraggeber denunzieren und zur Anzeige bringen.
Weshalb konnten Sie Ihr Vorhaben nicht zu Ende führen?
An jenem Tag, an dem ich bei einem Treffen im Zürcher Hotel Savoy den wahren Auftraggeber, den deutschen Agenten Werner Mauss, getroffen hätte, wurde ich festgenommen. «Tigris», die Spezialeinheit der Bundeskriminalpolizei, hat mich in einer filmreifen Aktion vor dem Hotel verhaftet. Ich dachte zuerst an einen Irrläufer - ich bin doch keine IS-Terrorist. In den deutschen Akten behauptet Mauss, er habe den Festnahmeplan der Bundesanwaltschaft selber vorgegeben. Man muss sich dies mal vorstellen. Ich bin auf eine sehr raffinierte Falle hereingefallen, wusste ich doch nicht, dass mich Mauss über die UBS bei der Bundesanwaltschat «verzinkt» hatte.
Was sagen Sie zur Rolle Ihres ehemaligen Arbeitgebers UBS, der Sie bei der Bundesanwaltschaft angezeigt hat?
Ich denke, dass die Exponenten der UBS dies in gutem Treu und Glauben getan haben. Sie kamen dem nach, was der leitende Bundesstaatsanwalt Carlo Bulletti ihnen vorgegeben hat. Was mir sehr leid getan hat, war, dass ich von diesem Moment an bei der UBS zur Persona non grata wurde. Die Bank hat mir sogleich meine Hypothek gekündigt. Ich durfte zehn Jahre für die UBS im Sicherheitsbereich arbeiten und hatte dort eine tolle Zeit. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, einen Kontakt bei der UBS anzustiften, mir Kundendaten herauszugeben.
Sie haben hohe Anwaltskosten und mussten dem deutschen Staat 40'000 Euro zahlen. Wie geht es Ihnen finanziell?
Es hat mich alles ein Vermögen gekostet. Ich bin finanziell ruiniert. Ich bin in der brutalen Situation, dass ich unser Familienhaus verkaufen muss. In der Zwischenzeit habe ich nur durch die grosszügige Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde überleben können. Eine Vertrauensperson hat mir mit den 40'000 Euro ausgeholfen.
Wie sehen Sie Ihre berufliche Zukunft?
Ich packe mein Geschäft wieder an und versuche, auf die Beine zu kommen. Ich pflege aus meiner Zeit bei der UBS mit vielen Entscheidungsträgern, die nun bei anderen Instituten tätig sind, freundschaftliche Beziehungen. Für einige darf ich arbeiten.
Werden Sie nun den Schweizer Nachrichtendienst für Ihre Unkosten in Deutschland zur Kasse bitten?
Valentin Landmann: Wir werden uns dies sorgfältig überlegen. Gemäss Obligationenrecht haftet ein Auftraggeber für den aus dem Auftrag entstandenen Schaden. Bei einem solchen Auftrag besteht das Risiko, dass man auffliegen kann. Bislang hat der Nachrichtendienst meinen Mandanten in einer eigentlich schnoddrigen Art richtiggehend verleugnet.
Daniel Moser: Dies soll auf eine sachliche Art und Weise erfolgen. Ich möchte in dieser Sache auch meinen Seelenfrieden finden.
Valentin Landmann: Wir suchen nicht den Krieg, sondern eine faire Lösung.
Wie geht es Ihnen heute denn, Herr Moser?
Ich fühle mich selbstredend wieder besser und geniesse die wiedergewonnene Freiheit. Ich bin auf dem Weg zurück. Der innerliche Verarbeitungsprozess läuft. Aufgrund der Haftzeit leide ich noch an Schlafstörungen.
Was haben Sie nach Ihrer Freilassung gemacht?
Meine Partnerin hat mich in Frankfurt nach dem Prozess abgeholt. Die vierstündige Autofahrt nach Zürich war eine meiner schönsten Fahrten, die ich je gemacht habe. Sie hat mich dann zu Hause mit einer herrlichen Kürbissuppe überrascht, die sie extra vorgekocht hatte. Dazu gab es eine wunderbare kalte Platte. Zusammen mit meinen zwei erwachsenen Töchtern genossen wir eine gute Flasche Rotwein. Kein Tee oder Wasser wie im Gefängnis. Wieder im Kreise meiner Liebsten zu sein, war Balsam für meine geschundene Seele.
Was haben Sie der Partnerin und Ihren Kindern als Erstes gesagt?
Dass ich sie wahnsinnig vermisst habe. Ich sagte ihnen auch, wie es mir leid tut, was ich ihnen damit angetan habe. Sie hatten mich in den sechs Monaten mit Briefen und Besuchen unterstützt. Zweimal im Monat durfte ich Besuch empfangen. Sie sind jeweils acht Stunden Auto gefahren, um mich 45 Minuten zu sehen.
Wussten Ihre Freunde Bescheid, dass Sie im Gefängnis sitzen?
Mein Freundeskreis war informiert. Über meine Partnerin wurden mir viele tolle Grüsse übermittelt. Man denke an mich und freue sich, wenn ich wieder zurückkomme. Das waren Kernbotschaften, die in diesem Moment für mich sehr wichtig waren.
Wie gingen Ihre Töchter damit um?
Für sie war es sicher schwierig, ihren Papi im Gefängnis zu besuchen. Zudem wurden sie in ihrem Bekanntenkreis auf mich angesprochen. Es gab viele Tränen bei den Besuchen. Ich wollte stark sein, aber mich hat es natürlich auch bewegt. Ich hatte auch ein gewisses Schamgefühl gegenüber meinen Kindern.
Was haben Sie im Gefängnis am meisten vermisst?
Meine Freiheit und Selbständigkeit. Von einem Moment auf den anderen darf man nichts mehr tun. Es wird einem alles gesagt, was man zu tun oder zu lassen hat.
Konnten Sie sich irgendwie beschäftigen?
Ich probierte, mir möglichst schnell eine Tagesstruktur aufzubauen (lacht). Aufstehen um sechs Uhr, dann Gymnastik. Ich hatte mich als Hausarbeiter beworben, dies wurde jedoch abgelehnt. So blieb es beim Lesen, TV schauen oder Zelle putzen. Dies war wichtig, denn es hatte Kakerlaken und Silberfische.
Hatten Sie eine Einerzelle?
Zuerst nicht. Ich hatte eine Zweierzelle mit einem Reichsbürger. Er sagte, er sei eine Führungsfigur in dieser Organisation, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer Staat bestreitet. Dies ermöglichte mir wenigstens eine intellektuelle Ablenkung. Ich unterhielt mich mit ihm politisch stundenlang über Sinn oder Unsinn seiner Behauptungen. Wir hatten eine Luxuszelle, die für Behinderte eingerichtet war. Sie war viel grösser und hatte eine eigene Dusche.
Wetterfrosch Jörg Kachelmann sass ja auch in Mannheim in U-Haft, wegen der Anschuldigungen seiner damaligen Partnerin.
Ja. Ich kam später auf den Stock, auf dem auch Kachelmann sass. Die Aufseher nannten es den Schweizer Stock. Flügel 1, Stockwerk 4. Ich sass nur zwei Zellen neben der Zelle, wo Kachelmann eingesessen hatte. Ein Mitgefangener, der schon damals im Knast war, erzählte mir, wie Kachelmann von anderen Häftlingen gefoppt worden war. «Jörg, wie wird das Wetter?», hätten sie ihn jeweils gefragt.
Sie haben sich einen langen Bart wachsen lassen.
Ich hatte keine Möglichkeit, die Haare selber zu schneiden. Und von einem Mitgefangenen wollte ich aus hygienischen Gründen keinen Haarschneider benützen. Viele waren krank. Mein Ziel war es, das Gefängnis gesund zu verlassen.