Crossair-Absturz
Pilot hatte Flugangst und fiel durch Prüfungen

ZÜRICH – Die Crossair-Chefs liessen unfähige Piloten an den Start – und töteten so 24 Menschen. Sagt der Bundesanwalt.
Publiziert: 29.04.2008 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 00:04 Uhr
Von Adrian Schulthess und Thomas Ley

Der Bruchpilot von Bassersdorf, Hans-Ulrich Lutz (57), ist tot. Am 24. November 2001 umgekommen in der Crossair-Maschine, die er selber in die Baumwipfel steuerte – 4050 Meter vor der Piste 28 des Flughafens Zürich.

Lutz kann sich nicht mehr verantworten. Doch jene, die für ihn verantwortlich waren, können es. Am 5. Mai beginnt ihr Prozess: Moritz Suter (64), Gründer und CEO der Crossair, und André Dosé (50), Suters Nachfolger, müssen vors Bundesstrafgericht in Bellinzona.

Verheerendes Zeugnis

Und die Vorwürfe an Suter, Dosé, zwei Crossair-Personalchefs, einen Chefinstruktor und einen Flottenchef sind massiv: fahrlässige Tötung von Pilot und Kopilot, einer Stewardess und 21 Passagieren. Grund: Patron Suter und sein treuer Helfer Dosé hätten ihre Piloten zur Verantwortungslosigkeit erzogen – und genau gewusst, dass Pilot Lutz schlicht unfähig war.

Die Bundesanwaltschaft sprach mit Fluglehrern, Piloten und Kopiloten. Resultat: ein verheerendes Zeugnis für Pilot Lutz. Sein letzter Flug ist geprägt von Inkompetenz: Um 20.01 Uhr startet der «Jumbolino» (Typ: AVRO RJ 85/100) in Berlin nach Zürich. Landen auf Piste 14, sendet Zürich. Um 20.40 Uhr eine Änderung: Nehmen Sie Piste 28. Pilot Lutz ignoriert es, peilt weiter die 14 an. Um 20.48 Uhr korrigiert ihn Zürich. Lutz nervt sich: «Scheisse, das äno, guet, okay».

Die Sicht ist mies: nur «2,2 Meilen» meldet eine gelandete Crossair-Maschine im Funk. Lutz hört das beim Landeanflug. Da warnt der Computer, er sei zu tief. «Scheisse», flucht Lutz. Habe der andere nicht von «zwee Meile» gesprochen?

Er ist fast unten – aber zu weit weg. Um 21.06 murmelt er noch leise, ob er wohl durchstarten solle. Zu spät. Die Maschine kracht in den Wald. Und dann in den Boden. Eine Katastrophe, so findet die Anklage, die vorhersehbar war.

«Unter dem Durchschnitt»

Hans-Ulrich Lutz wollte schon mit 17 Pilot werden. Drei offizielle Prüfungen besteht er nicht. Also holt er sich privat den Flugschein für Segler und Einmotorige – und wird 1966 doch Berufspilot.

Jährliche Kontrollen besteht er meist nur mit «durchschnittlich». Und als ihn die Crossair 1979 anstellt, nach 4490 Flugstunden, heisst es gar: «unter dem Durchschnitt». Egal, die Crossair braucht Piloten.

Nur: Lutz wird nicht besser. Noch 1995 fliegt er, so ein Cheffluglehrer, «wie ein blutiger Anfänger». Vor dem Fliegen der MD-80, der Nachfolgerin der DC-9, hat er sogar richtig «Angst».

Acht Zusatztrainings – «ohne Erfolg». Lutz setzt sich auch nicht «vertieft» mit den Fehlern auseinander. Zu Deutsch: Er ist stur. Auf den Jumbolino lässt man ihn bloss, weil die kleinste Maschine, die Saab 340, ausgemustert wird.

Dann der Unfalltag: Zwei Tage vorher hatte er zu lang gearbeitet und zu wenig geschlafen. «Im Moment des Unfalls war Lutz schon dreizehneinhalb Stunden im Einsatz.»

Die traurige Karriere von Hans-Ulrich Lutz hatte bei der Crossair System, so die Ankläger. Gründer Moritz Suter habe intern eine «Angstkultur» geprägt, «eine diktatorische Firmenhierarchie, welche jeglichen Widerspruch ihm gegenüber unterband». Wer von den Flugvorschriften abwich, sei von ihm «gefördert, gelobt und mit Beförderungen honoriert worden.» Wer nach Vorschrift flog, dem sei Entlassung angedroht worden.

Wegen Suters «aggressiver Expansionspolitik» seien «wartungsfällige Flugzeuge» geflogen worden, von übermüdetem Personal. Auch hier: «Bei Verweigerung wurde mit Entlassung gedroht.» Ein guter Crossair-Pilot, so habe Suter stets betont, «müsse lügen, behaupten und abstreiten können.»

Suters Nachfolger André Dosé kommt nicht besser weg. Er habe die Angstkultur bestätigt – und den Piloten Lutz weiterfliegen lassen.

Was hält Moritz Suter von den Vorwürfen? «Ich würde gern Stellung nehmen», sagt er gegenüber BLICK, «aber in einem laufenden Verfahren darf ich das nicht.» Immerhin so viel fügt er doch an: «Wenn ich wirklich so eine Schreckenskultur gefördert hätte, wären ja wohl kaum so viele Crossair-Mitarbeiter für mich auf die Strasse gegangen, als man mich damals in Zürich aus dem Swiss-Verwaltungsrat verbannte.»

Es seien Mitarbeiter gewesen, die 70000 Unterschriften gesammelt hätten. Ganz zu schweigen von all ihren Weihnachtsfeiern für ihn. «Ich überlasse es Ihnen, das alles einzuschätzen», schliesst er. Er wird es vor allem dem Gericht überlassen müssen.

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