Die Unverzichtbare: Patricia Fodor
Die Lage in ihrer Abteilung ist für die Covid-Politik entscheidend. Seit auf den Intensivstationen weniger Patienten intubiert werden, atmet die Schweiz den Hauch der Freiheit. Patricia Fodor, stellvertretende Chefärztin der Intensivstation des Zürcher Triemlispitals, erklärt: «Wir schauen optimistisch in die Zukunft.» Im April 2020 berichtete sie im SonntagsBlick über die erste Corona-Welle – wie sie sagt, war es die schwierigste: «Wir wurden von einer -unbekannten Krankheit überrollt, mussten zig Patienten betreuen und ganz ungewohnt Angehörige via Zoom unterstützen. Es fehlte an qualifizierten Mitarbeitenden und teilweise an Material. Sterbende Patienten mussten wir mit Maske und Schutzanzug quasi gesichtslos auf ihrem schweren Weg begleiten.» Inzwischen habe sich ihr Team auf das neue Krankheitsbild eingestellt – «obwohl uns Ermüdungserscheinungen und das Unverständnis für ungeimpfte Patienten zwischendurch beschäftigen». Das ganze Team freue sich über die vielen genesenen Patienten. «Einige schicken Fotos und lassen uns an ihrem wieder normalen Familienalltag teilhaben.» Patricia Fodor leistete wie sämtliche Mitarbeitende der Gesundheitsbranche in den vergangenen zwei Jahren -Unglaubliches. Dabei ist bei aller Zuversicht nicht zu übersehen: Zurück in der Normalität sind wir noch nicht. Im Triemli belegen Covid-Infizierte ein Drittel der Intensivbetten. Fodor: «Die aktuellen Patienten stammen aus der Deltaphase und liegen schon mehrere Wochen bei uns. Sie nehmen an der Zahl ab, sind aber sehr krank und beanspruchen all unsere Kräfte.»
Die Rechnerin: Tanja Stadler
Seit dem Frühjahr 2020 sorgt die Corona-Taskforce mit -ihren -Prognosen und Modellrechnungen für Schlagzeilen. An der Spitze sitzt seit letztem Sommer die Biostatistikerin Tanja Stadler. Sie stellte die Einschätzungen der Wissenschaftler Medien und Öffentlichkeit vor. Das gefällt nicht -allen: Pakete ohne Absender bringt Stadler direkt zur Se-curity. Immer, wenn Gefahr in Verzug war, funktionierten Stadlers Modelle auf beeindruckende Weise. Andererseits erkannte die Taskforce zweimal nicht, dass sich die Situation verbesserte. Das trug ihr die Kritik ein, sie agiere alarmistisch. Zuletzt standen Stadler und ihre Taskforce -wegen Omikron in der Kritik: Die Wissenschaftler waren von viel höheren Hospitalisierungszahlen ausgegangen. Dass es nicht dazu kam, lag unter anderem daran, dass in der Schweiz – im Unterschied zu anderen Ländern – Hausärzte die erste Anlaufstelle für Erkrankte sind, nicht die Spitäler. Das Mandat der Taskforce läuft bis Ende Mai 2022.
Der Vordenker: Steve Pascolo
Im Jahr 2003 liess sich der französische Immunologe Steve Pascolo als erster Mensch überhaupt mRNA unter die Haut spritzen. Das Experiment des jetzigen Forschers des Universitätsspitals Zürich glückte – die Grundlage für ein mRNA-Impfstoff war geschaffen. Ein Jahr später brachte Pascolo die Technologie nach Zürich. Hätten Politik und etablierte Wissenschaft deren Möglichkeiten damals erkannt, wäre die Schweiz wohl als erste Nation der Welt im Besitz eines Corona-Impfstoffs gewesen. Doch Pascolo musste jahrelang kämpfen, verlor vorübergehend sogar seinen Job. Nachdem alle Welt die Vorteile der Technologie am eigenen Leib erfahren hat, wird nun auch Pascolos Leistung anerkannt. «Inzwischen haben wir Finanzierungen und Laborplätze erhalten, doch es geht langsam voran», sagt der 51-Jährige. Die mRNA-Technologie hat das Potenzial, neben Covid etwa Krebs, Aids und Multiple Sklerose zu bekämpfen. Die Ergebnisse aus der Forschung seines fünfköpfigen Teams seien vielversprechend. «Ich hoffe, dass künftig noch mehr investiert wird, um unsere Expansion zu beschleunigen.» Seine Vision: ein mRNA-Hub in der Schweiz. «Dort könnte man die Forschung vorantreiben und die Produktion eines Impfstoffs im Fall einer neuen Pandemie gewährleisten.» Vielleicht geht diese Vision jetzt ja in Erfüllung. Immerhin empfing Bundesrat Berset den Wissenschaftler im
Sommer 2021 zum Gespräch.
Die Beschafferin: Nora Kronig
Sie und ihr Team im BAG schafften das Vakzin Ende 2020 in die Schweiz: Nora Kronig, BAG-Vizedirektorin und Leiterin der Abteilung Internationales. Ihre schönste Erinnerung? «Als ich beim Berner Inselspital vorbeigefahren bin und sah, wie die Leute Schlange standen für die Impfung.» Im Sommer 2021 – mitten in der Krise – verabschiedete sich Kronig in den Mutterschaftsurlaub. Schwer sei ihr dies nicht gefallen: «Niemand ist unersetzlich. Ich habe ein super Team und mir keine Sorgen um das Voranschreiten der Impfung gemacht.» Kritik, wonach beim Pieksen getrödelt worden sei, lässt sie nicht gelten: «Uns war bewusst, dass es zu Beginn eine Knappheitsphase geben würde. Doch bis Sommer 2021 wurden alle Impfwilligen geimpft, die Verträge mit den Herstellern liegen bereit, falls eine neue Variante auftreten sollte.» Nebst Kronig ist Christoph Berger, Chef der Nationalen Impfkommission, in der Piks-Diskussion omnipräsent.
Der Test-Chef: Gieri Cathomas
Im Pionierkanton Graubünden baute Gieri Cathomas die Massentests auf. Dann holte ihn die Hirslanden Gruppe nach Zürich – und Cathomas wurde zum helvetischen Test-Chef. Zuerst organisierte er repetitive Tests in einem Dutzend Kantone, dann übernahm er die Pooltests von Schulen im ganzen Land. Ist diese Zeit nun vorbei? «Es wird ruhiger», sagt Cathomas. «Aber niemand weiss, wie der Herbst aussieht.» Klar ist: Im Sommer hilft der 45-jährige Mediziner auf dem Bauernhof seines Bruders in der Surselva mit: «Ich brauche frische Luft.»
Die BAG-Crew. Die Frau ganz oben: Anne Lévy
Anne Lévy übernahm den BAG-Spitzenposten im Herbst 2020, als das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Bundesamt für Gesundheit mehr als angekratzt war. Für viele trat sie damit den härtesten Job in Bundesbern an. Sie brachte viel Ruhe ins BAG und hatte auch ein paar
Erfolge zu verzeichnen. Unter anderem trieb sie die -Massentests an Schulen und Unter-nehmen nach Kräften voran. Hier spielte
die Schweiz phasenweise international ein
e Vorreiterrolle. Doch nicht alles lief wie am Schnürchen: Dem BAG gelang es eher schlecht als recht, die Menschen vom Nutzen der
Impfung zu überzeugen.
Der Querulant: Nicolas Rimoldi
Mit seinen Instagram-tauglichen Anti-Massnahmen-Slogans brachte es der frühere Luzerner Jungfreisinnige Nicolas Rimoldi zu einem Interview mit «CNN»: Der Gründer von «Mass-Voll» hat sein Studium für den Kampf gegen die in seinen Augen verfassungswidrige Zertifikatspflicht aufgegeben. Seine «Corona-Rebellen» sind das junge, urbane Pendant zu den Trychlern. Im Verlauf der Pandemie hat sich Rimoldi zunehmend radikalisiert, er träumt von einem Volksaufstand und will die Regierung hinter Gittern sehen. Die Berechtigung von Mass-Voll sieht er durch die Lockerungen nicht infrage gestellt: «Wir glauben dem Bundesrat kein Wort.» Das Post-Covid-Programm der Gruppierung steht bereits fest: «Wir wollen für Grundrechte kämpfen. Wir sind gekommen, um zu bleiben.»
«Mr. Corona»: Daniel Koch
Wer zurückblickt, erinnert sich zuallererst an sein Gesicht und seine sonore Stimme: Das ganze Land kannte den allerersten Pandemie-Verantwortlichen des Landes, Daniel Koch. Der Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit begleitete die Schweiz durch die erste Corona-Welle. Im Gedächtnis bleibt seine Aussagen zu den Masken, die angeblich nichts nützten. Heute sagt er: «Wir haben keine Empfehlung ausgesprochen, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht genügend Evidenz dafür gab – nicht, weil es an Masken mangelte.» Einen Fehler räumt Koch aber ein: «Mit der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr haben wir womöglich zu lange zugewartet.» Seiner Popularität hat das alles nicht geschadet. Nach seiner Pensionierung im Sommer 2020 avancierte Koch zur Kultfigur – sogar ein Buch wurde über ihn geschrieben. Mit dem Ende der akuten Krise naht jetzt auch das Ende des Experten Koch in den Medien. Vermissen werde er die Öffentlichkeit nicht, beteuert er.
Der Minister: Alain Berset
Im Februar 2020 versetzte Gesundheitsminister Alain Berset das Land in «erhöhte Bereitschaft». Amtsbedingt stellte er in der Folgezeit seine sechs Kolleginnen und Kollegen in den Schatten. Diese Woche war es nun Bundespräsident Ignazio Cassis, der vor den Medien hochoffiziell das nahende Ende der Pandemie verkünden und von einem «schönen Tag» sprechen konnte. Berset hatte sich die Show dennoch nicht komplett stehlen lassen: Er war schon am Freitag zuvor in den Aargau gereist, hatte dort von einem «Freudentag» gesprochen und das nahende Ende der Pandemie angekündigt.
Der Virenversteher: Marcel Salathé
Die Pandemie hat aus Forschern Medienstars werden lassen. Der Lausanner Epidemiologe Marcel Salathé ist einer von ihnen. Mit Modellrechnungen machte er über Twitter das Unsichtbare sichtbar – und verständlich: «Es ist eine Frage von Tagen oder Stunden, bis
die Schweiz den ersten Fall verzeichnet», schrieb Salathé Ende Februar 2020. Stunden später war es tatsächlich so. Im Rückblick sagt der EPFL-Wissenschaftler: «Schwierig war der Beginn – früh zu realisieren, was da auf uns zukommt, und wie schlecht wir vorbereitet waren. Die Impfung war und bleibt der Gamechanger. Ohne sie wären wir noch lange nicht da, wo wir heute sind.»
Der Ex-Chef: Pascal Strupler
Als sich Covid Anfang 2020 in der Schweiz ausbreitete, überliess der damalige BAG-Direktor Pascal Strupler die öffentlichen Auftritte meist den zuständigen Fachleuten. Als dann jedoch im Sommer ein Höchststand der Infektionen vermeldet wurde, war klar: Jetzt muss der Chef ran. «Die Situation ist ernst, wir müssen einen Gang hochschalten», warnte Strupler eindringlich. Heute sagt der Jurist: «Es war eine extrem hektische Zeit, wir mussten blitzschnell umstellen in den Krisenmodus.» Was unter Strupler ebenfalls offenkundig wurde: Der haarsträubende digitale Nachholbedarf des Bundesamts für Gesundheit. Es klappte nicht mit aktuellen Ansteckungszahlen, weil diese noch per Fax übermittelt wurden. Strupler ist heute Partner bei der Beratungsfirma KMES und Verwaltungsratspräsident des Spitals Wallis. Eine -seiner Hauptaufgaben ist es, das Krankenhaus zu digitalisieren.
Der Trychler: Andy Benz
Der 28. November 2021 war für den Innerschweizer Andy Benz und seine Freiheitstrychler ein bitterer Wendepunkt. Ende November sagten 62 Prozent Ja zum Covid-Gesetz. «Wir proklamieren für die Geschichte: Impfgenozid», schrieben die Glöckner darauf auf Telegram. Das sagt viel aus über das Niveau und die Denkweise der Truppe, die Benz mithilfe finanzkräftiger Gönner formiert hatte. Unvergessener Höhepunkt für ihn waren die Auftritte von SVP-Bundesrat Ueli Maurer im Trychler-Shirt.