CO2-Gesetz: Mehrheit im Klimastreik will kein Referendum
«Wir spalten die Gesellschaft am falschen Ort»

Für den Entscheid, das Referendum gegen das CO2-Gesetz zu ergreifen, ernten Klimaaktivisten aktuell viel Kopfschütteln. Dabei unterstützt innerhalb des Klimastreiks nur eine Minderheit diesen Plan.
Publiziert: 10.10.2020 um 23:54 Uhr
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Am Freitag gaben diverse Wirtschaftsverbände – darunter Vertreter der Erdöl- und Autobranche – bekannt, dass sie das Referendum gegen das neue CO2-Gesetz ergreifen wollen.
Foto: Keystone
Dana Liechti

Es kam wenig überraschend: Am Freitag verkündeten mehrere Wirtschaftsverbände, ­darunter Vertreter der Erdöl- und Autobranche, dass sie gegen die ­Revision des CO2-Gesetzes das Referendum ergreifen wollen.

Um einiges spektakulärer wirkte vor einer Woche die Ankündigung von Aktivisten des Klimastreiks, das gleiche Ziel zu verfolgen – wenn auch aus völlig an­deren Motiven. Nicht nur Politiker reagierten mit Kopfschütteln.

Die «Eltern fürs Klima» etwa nannten den Entscheid auf Twitter «schändlich»: «Mit der SVP, Erdöl- und Autolobby zusammen ergreift man kein Referendum.» Auch Reto Knutti (47), Klimawissenschaftler an der ETH, monierte: «Als Alliierte der SVP können die Klima-Aktivisten nur ­verlieren.»

Was bei aller Kritik unterging: Nur gerade fünf von 26 regionalen Klimastreik-Gruppen wollen das CO2-Referendum. Die grosse Mehrheit der Aktivistinnen lehnt es ab. «Wir halten es für eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen», sagt Nino Preuss (16) aus Zürich. «Zusätzlich spalten wir dadurch die Gesellschaft möglicherweise am falschen Ort, nämlich innerhalb der progressiven ­Allianz statt zwischen Bevölkerung und fossilen ­Profiteurinnen und Pro­fiteuren.» Auch Marie-Claire Graf (24), die als Schweizer Greta Thunberg bezeichnet wird, findet ein Referendum keine gute Idee. Sie sagt: «Die Alter­native zum ungenügenden CO2-Gesetz ist derzeit nicht eine bessere Klimapolitik, sondern der Stillstand.»

Romands sind aggressiver

Kaum über­raschend ist, dass sich ausschliesslich Westschweizer Regionalgruppen für ein Referendum einsetzen. Die Romands traten schon früher offensiver auf. Während die Deutschschweizer vor den Parlamentswahlen 2019 neutral bleiben wollten, hätten die Romands gern konkrete Wahlem­pfehlungen abgegeben. Am Ende setzten sich die Deutschschweizer durch.

Auch bei dem Thema Volksinitiative «Netto null 2030» sind die Meinungen in der Bewegung geteilt. Für eine solche Zielsetzung sei es bereits zu spät, sagt der Zürcher Aktivist Preuss. Seine Basler Mitstreiter hingegen überreichten dem Kanton Basel-Stadt am Donnerstag eine Initiative, die vom Kanton fordert, dass bis 2030 ­netto keine Emissionen von klimaschäd­lichen Gasen mehr produziert werden – dasselbe, was der Klimastreik auf ­nationaler Ebene verlangt.

Was sagt die Wissenschaft?

Doch ist diese Forderung überhaupt wissenschaftlich begründet? Um die Klima­ziele von Paris zu ­erreichen – die Erderwärmung also auf deutlich unter zwei Grad zu ­begrenzen –, müssten die CO2-Emis­sionen weltweit bereits vor dem Jahr 2050 auf netto null sein, sagt ­Klimawissenschaftler Knutti. «Das folgt rein aus der ­Physik und dem Kohlenstoffkreislauf.»

Wann genau dieses Ziel aber erreicht sein muss, sei schon nicht mehr rein wissenschaftlich zu begründen. Klar ist laut Knutti: Je weniger Risiko wir eingehen wollen, desto früher müssen wir auf netto null sein. Wie man mit den Fakten umgehe und welche Rolle die Schweiz beim Erreichen der Klima­ziele spiele, entscheide aber nicht die Wissenschaft: «Das ist ein gesellschaftlicher Aus­handlungs­prozess.»
Mit am Verhandlungstisch sitzen dabei auch die Klimastreikenden. Vereint. Trotz unterschiedlicher Auffassungen, wie die gemein­samen Ziele zu erreichen seien. «Wir arbeiten weiterhin zusammen da­ran», sagt Nino Preuss.

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