Es kam wenig überraschend: Am Freitag verkündeten mehrere Wirtschaftsverbände, darunter Vertreter der Erdöl- und Autobranche, dass sie gegen die Revision des CO2-Gesetzes das Referendum ergreifen wollen.
Um einiges spektakulärer wirkte vor einer Woche die Ankündigung von Aktivisten des Klimastreiks, das gleiche Ziel zu verfolgen – wenn auch aus völlig anderen Motiven. Nicht nur Politiker reagierten mit Kopfschütteln.
Die «Eltern fürs Klima» etwa nannten den Entscheid auf Twitter «schändlich»: «Mit der SVP, Erdöl- und Autolobby zusammen ergreift man kein Referendum.» Auch Reto Knutti (47), Klimawissenschaftler an der ETH, monierte: «Als Alliierte der SVP können die Klima-Aktivisten nur verlieren.»
Was bei aller Kritik unterging: Nur gerade fünf von 26 regionalen Klimastreik-Gruppen wollen das CO2-Referendum. Die grosse Mehrheit der Aktivistinnen lehnt es ab. «Wir halten es für eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen», sagt Nino Preuss (16) aus Zürich. «Zusätzlich spalten wir dadurch die Gesellschaft möglicherweise am falschen Ort, nämlich innerhalb der progressiven Allianz statt zwischen Bevölkerung und fossilen Profiteurinnen und Profiteuren.» Auch Marie-Claire Graf (24), die als Schweizer Greta Thunberg bezeichnet wird, findet ein Referendum keine gute Idee. Sie sagt: «Die Alternative zum ungenügenden CO2-Gesetz ist derzeit nicht eine bessere Klimapolitik, sondern der Stillstand.»
Romands sind aggressiver
Kaum überraschend ist, dass sich ausschliesslich Westschweizer Regionalgruppen für ein Referendum einsetzen. Die Romands traten schon früher offensiver auf. Während die Deutschschweizer vor den Parlamentswahlen 2019 neutral bleiben wollten, hätten die Romands gern konkrete Wahlempfehlungen abgegeben. Am Ende setzten sich die Deutschschweizer durch.
Auch bei dem Thema Volksinitiative «Netto null 2030» sind die Meinungen in der Bewegung geteilt. Für eine solche Zielsetzung sei es bereits zu spät, sagt der Zürcher Aktivist Preuss. Seine Basler Mitstreiter hingegen überreichten dem Kanton Basel-Stadt am Donnerstag eine Initiative, die vom Kanton fordert, dass bis 2030 netto keine Emissionen von klimaschädlichen Gasen mehr produziert werden – dasselbe, was der Klimastreik auf nationaler Ebene verlangt.
Was sagt die Wissenschaft?
Doch ist diese Forderung überhaupt wissenschaftlich begründet? Um die Klimaziele von Paris zu erreichen – die Erderwärmung also auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen –, müssten die CO2-Emissionen weltweit bereits vor dem Jahr 2050 auf netto null sein, sagt Klimawissenschaftler Knutti. «Das folgt rein aus der Physik und dem Kohlenstoffkreislauf.»
Wann genau dieses Ziel aber erreicht sein muss, sei schon nicht mehr rein wissenschaftlich zu begründen. Klar ist laut Knutti: Je weniger Risiko wir eingehen wollen, desto früher müssen wir auf netto null sein. Wie man mit den Fakten umgehe und welche Rolle die Schweiz beim Erreichen der Klimaziele spiele, entscheide aber nicht die Wissenschaft: «Das ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess.»
Mit am Verhandlungstisch sitzen dabei auch die Klimastreikenden. Vereint. Trotz unterschiedlicher Auffassungen, wie die gemeinsamen Ziele zu erreichen seien. «Wir arbeiten weiterhin zusammen daran», sagt Nino Preuss.
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