«Mein Herz hörte schon vier Mal auf zu schlagen»
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Defibrillator in der Brust:«Mein Herz hörte schon vier Mal auf zu schlagen»

Claudia Manser (54) aus Linthal GL überlebt nur dank eingebautem Defibrillator
In zwei Jahren stand ihr Herz vier Mal still

Claudia Manser (54) leidet an einer seltenen Erbkrankheit. Wegen des Long-QT-Syndroms bleibt ihr Herz plötzlich stehen. Heute lebt sie mit einem Defibrillator in der Brust.
Publiziert: 09.09.2020 um 23:13 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2021 um 21:05 Uhr
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Claudia Manser (54) leidet an einer seltenen Herzkrankheit. Chirurgen pflanzten ihr einen Defibrillator in die Brust.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Am 22. Dezember 2017 blieb ihr Herz das erste Mal stehen. Seitdem weiss Claudia Manser (54), wie es ist, scheintot zu sein. Die dreifache Mutter aus Linthal GL leidet nämlich am sogenannten Long-QT-Syndrom. Eine seltene Erbkrankheit, bei der ein sonst gesundes Herz plötzlich aufhört zu schlagen (siehe Box).

«In den letzten zwei Jahren stand mein Herz vier Mal still», so Manser. Überlebt habe sie nur dank des implantierten Defibrillators in ihrer Brust. Immer wenn ihr Herz aufhört zu schlagen, holt sie ein automatischer Stromschlag zurück ins Leben. Manser erklärt: «Der Defibrillator befindet sich unter meiner Haut. Er ist so gross wie eine Taschenuhr und per Draht mit meinem Herz verbunden.» Sie lacht und meint: «Ich stelle mir das immer so vor wie einen Kuhzaun.»

«Ich träumte von einer Blumenwiese»

Lebt sie also täglich in Todesangst? «Nein», sagt sie. «Ich bekomme die Stromschläge fast nicht mit.» Das sei wohl seltsam, auch ihre Ärzte würden sich darüber wundern. Anders war das beim ersten Herzstillstand im Dezember 2017, also bevor sie danach die Diagnose und das Implantat erhalten hat. Damals fuhr ihr Sohn sie ins Krankenhaus, weil sich Manser nicht gut fühlte. Beim Eingang des Spitals setzt ihr Herz aus. Sie brach zusammen. «Ich weiss nur noch, dass ich von einer Blumenwiese träumte und jemand in der Ferne meinen Namen rief.»

Zehn Tage lag sie auf der Intensivstation, während Chirurgen ihr den lebensrettenden Defibrillator einpflanzten. «Wieder zu Hause, fiel ich in ein tiefes Loch», sagt sie. Die dreifache Mutter fragte sich oft: «Warum ich?» Dank ihrer Familie habe sie aber zurück ins Leben gefunden.

Täglich nimmt Manser seither Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen und Epilepsie. «Die Tabletten machen dick», sagt sie. «Früher war ich schlank.» Schlimm sei das nicht. Heute hätten Aussehen und materieller Besitz für sie weniger Bedeutung. Auch ein Handy darf sie nicht haben, da dieses den Defibrillator stört. Dafür setze sie sich für Schwächere ein.

Heute nimmt Manser Flüchtlinge bei sich auf

Seit der Diagnose nimmt Manser Flüchtlinge bei sich auf. Etwa Samim Sohrabi (22). Der Afghane hat im August sogar eine Lehre auf dem Strassenbau angefangen. «Er zieht es durch. Das macht mich stolz», so Manser. Sohrabi lebt seit fast zwei Jahren bei ihr. Seine Eltern wurden von den Taliban getötet.

Doch nicht immer machte Manser gute Erfahrungen mit ihren Schützlingen. Einer wurde sogar straffällig und musste zurück ins Asylheim. «In solchen Momenten kämpfe ich mit mir selbst», sagt sie. Doch ihr Wille zu helfen ist ungebrochen. Sie weiss: «Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.»

Plötzlich schlägt das Herz nicht mehr

Das Long-QT-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die bei sonst herzgesunden Menschen zum plötzlichen Herztod führen kann. Die Ursache des Long-QT-Syndroms sind geringfügige Abweichungen im Ablauf der elektrischen Signalübermittlung in den Zellen des Herzmuskels. Heute weiss man, dass die Krankheit vererbt wird oder aus einer unerwünschten Medikamenten-Nebenwirkung entsteht. Frauen sind stärker betroffen als Männer. Das Syndrom wurde 1957 erstmals beschrieben.

Das Long-QT-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die bei sonst herzgesunden Menschen zum plötzlichen Herztod führen kann. Die Ursache des Long-QT-Syndroms sind geringfügige Abweichungen im Ablauf der elektrischen Signalübermittlung in den Zellen des Herzmuskels. Heute weiss man, dass die Krankheit vererbt wird oder aus einer unerwünschten Medikamenten-Nebenwirkung entsteht. Frauen sind stärker betroffen als Männer. Das Syndrom wurde 1957 erstmals beschrieben.


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