Favorit ist der Tessiner Ignazio Cassis, der seit zehn Jahren im Nationalrat sitzt. Sein wichtigster Trumpf ist seine Herkunft: Das Tessin wartet seit nunmehr 18 Jahren auf eine Vertretung im Bundesrat. Der Anspruch des Kantons ist denn auch breit anerkannt.
Keine Exekutiverfahrung bei Cassis
Als Präsident der FDP-Fraktion und der nationalrätlichen Gesundheitskommission gehört Cassis zu den einflussreichsten Parlamentariern. Ausserdem gilt er als umgänglich und integrativ. Über Exekutiverfahrung verfügt der ehemalige Tessiner Kantonsarzt aber nicht. Auch seine Nähe zu den Krankenkassen wird ihm zum Vorwurf gemacht.
Die beiden anderen Anwärter sind Romands. Die Waadtländerin Isabelle Moret ist seit Ende 2006 Nationalrätin. Wie Cassis beschäftigt sie sich vorwiegend mit Gesundheits- und Sozialpolitik, doch hat sie auch die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mitgeprägt.
Moret wäre zweite Waadtländer Vertretung im Bundesrat
Moret hatte ebenfalls noch nie ein Regierungsamt inne. Zudem wäre sie neben Guy Parmelin die zweite Waadtländer Vertreterin im Bundesrat. Sie wird aber die Stimmen all jener auf sich vereinen, die wieder mehr als zwei Frauen im Bundesrat sehen wollen. Auch jene, die dereinst bei der Ersatzwahl für Bundesrätin Doris Leuthard freie Hand in der Geschlechterfrage haben wollen, könnten Moret unterstützen.
Der Genfer Sicherheits- und Wirtschaftsdirektor Pierre Maudet ist der einzige Bewerber mit Regierungserfahrung. Der 39-jährige Senkrechtstarter hat sich mit einem harten Kurs bei der Kriminalitätsbekämpfung, aber auch mit der Legalisierung von Sans-Papiers einen Namen gemacht. Damit schuf er sich hüben und drüben Freunde wie Gegner.
Ein Tessiner, eine Frau und ein Macher - nicht wenige Mitglieder der FDP-Fraktion wünschen sich wohl, sie hätten diese Eigenschaften in einer einzigen Person gefunden. Doch nun stehen drei Bewerber zur Auswahl, die alle ihre Vorzüge, aber auch Schwächen haben.
Cassis gilt als gesetzt
Insbesondere die Romands: Ein weiterer Westschweizer Bundesrat würde eine Tessiner Vertretung auf Jahre hinaus verhindern, weil eine lateinische Mehrheit in der Regierung kaum denkbar ist. Cassis gilt daher als gesetzt, doch auch für Moret und Maudet ist das Rennen offen.
Es ist möglich, dass die FDP-Fraktion alle drei Anwärter ins Rennen schickt und damit den Entscheid der Bundesversammlung überlässt. Wer neben Cassis auf einem Zweierticket stehen würde, ist nicht klar. Moret hat den Frauenbonus und eine Hausmacht in der Fraktion. Doch im Umgang mit den Medien hat sie in den letzten Wochen Schwächen gezeigt.
Maudet verfügt über Regierungserfahrung, einen politischen Leistungsausweis und ein geschliffenes Auftreten. Dennoch dürfte Maudet manchen Fraktionsmitgliedern nur aus den Medien bekannt sein. Einige könnten dem jugendlichen Karrieristen ihre Stimme auch darum verweigern, weil er das Bundesratsamt wohl erst nach mehreren Legislaturen wieder freigeben würde.
FDP-Fraktion gibt Entscheid am frühen Freitagabend bekannt
Am Freitagnachmittag stehen die drei Bewerber der FDP-Fraktion in Neuenburg Rede und Antwort. Diese gibt ihren Entscheid am frühen Abend bekannt. Danach werden die offiziellen Kandidatinnen und Kandidaten von den übrigen Fraktionen zu Hearings eingeladen. Die Anhörungen finden am ersten und am zweiten Dienstag der Herbstsession statt.
Wilde Kandidaturen - auch solche aus anderen Fraktionen - sind möglich. Sofern Moret im Rennen bleibt, sind sie aber eher unwahrscheinlich. Zwar ist SP-Präsident Christian Levrat mit der Auswahl generell unzufrieden. Die Tessiner Grünen rufen zur Wahl von Laura Sadis auf. Die SVP will keine Kandidaten unterstützen, die sich für ein Rahmenabkommen mit der EU aussprechen. Doch das ist Geplänkel. Ein ernsthafter Sprengkandidat ist nicht in Sicht, und der Sitz der FDP ist grundsätzlich unbestritten.
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