Anders als seine Vorgänger ist Gasser nicht Diplomat. Finanzminister Ueli Maurer sieht darin keinen Nachteil, wie er vor den Medien in Bern sagte. Das hängt auch damit zusammen, dass Maurer neue Akzente setzen will: Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) soll sich vermehrt nach Innen ausrichten, auf die Interessen der Schweiz. Priorität hat für Maurer der Marktzutritt von Schweizer Banken im Ausland.
Bisher stand die Anpassung an internationale Standards im Vordergrund. Das SIF war 2009 geschaffen worden, inmitten der Bankenkrise und des Steuerstreits mit verschiedenen Staaten. Die Schweiz sei damals von allen Seiten angeschossen worden, stellte Maurer fest. Die wesentlichen stritten Fragen dürften nun aber für einige Zeit geklärt sein. Damit werde es eine «Akzentverschiebung» geben.
Gasser sei der beste Kandidat unter vielen guten Bewerbern gewesen, betonte Maurer. Der 46-Jährige sei mit den politischen Verhältnissen und den wirtschaftlichen Zusammenhängen bestens vertraut und verfüge über ausgezeichnete Kenntnisse in den Dossiers des SIF. Gasser selbst räumte ein, sein Name sei wohl bei vielen nicht zuoberst auf der Liste gestanden. Auch er zeigte sich aber überzeugt, die Anforderungen zu erfüllen.
Seine Laufbahn in der Bundesverwaltung hatte Gasser als wissenschaftlicher Mitarbeiter begonnen. 2009 holte die damalige Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf den Ökonomen als Referent für Wirtschafts- und Finanzfragen in ihr Departement. 2009 setzte sie ihn als Interimsdirektor im Bundesamt für Migration ein.
Anschliessend wurde Gasser Generalsekretär, zunächst im Justiz- und Polizeidepartement und dann im Finanzdepartement. Dort habe er die Dossiers des SIF aktiv mitgestaltet, sagte Maurer. Gasser sei in alle wichtigen internationalen finanz-, steuer- und währungspolitischen Geschäfte massgeblich involviert gewesen.
Vor der Zeit in der Bundesverwaltung war Gasser für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) tätig, unter anderem als stellvertretender Chefdelegierter in Krisengebieten. Für das IKRK habe er in schwierigsten Situationen mit Konfliktparteien verhandelt, sagte Maurer.
Obwohl Gasser kein Diplomat sei, habe er damit wertvolle Praxiserfahrung. Titel stünden nicht über allem, gab Maurer zu bedenken. «Ein Botschafter muss noch lange kein guter Diplomat sein.» Gasser ergänzte, er könne im SIF auf erfahrene Diplomaten zurückgreifen. Das internationale Netz ergebe sich zudem oft durch die Funktion.
Gasser folgt an der Spitze des SIF auf zwei erfahrene Diplomaten. Zuletzt leitete de Watteville das Staatssekretariat. Er geht Ende Juni in Pension, behält jedoch sein Mandat als Chefunterhändler für die EU-Dossiers. De Watteville war auf Michael Ambühl gefolgt.
Beide waren vor ihrer Wahl an die Spitze des SIF an wichtigen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU beteiligt gewesen. Als SIF-Chef verhandelte Ambühl im Steuerstreit mit den USA und den Nachbarländern der Schweiz. In de Wattevilles Amtszeit fiel der Entscheid für den automatischen Informationsaustausch.
Gasser gilt als Vertrauter von Widmer-Schlumpf. Nach dem Wechsel von Maurer ins Finanzdepartement war darüber spekuliert worden, dass Maurer sich von ihm trennen könnte. Dazu sagte Maurer, sie hätten sich auf Anhieb gut verstanden.
Gasser stammt aus dem Kanton Obwalden, ist verheiratet und Vater eines Kindes. Einer politischen Partei gehört er nicht an. Auf eine entsprechende Frage legte er aber seine Nähe zur CVP offen: Er habe eine Klosterschule besucht, das gebe einen Hinweis auf die politische Orientierung, sagte er.
Als idealen Zustand beschrieb er eine Finanzwelt, in welcher die Spielregeln für alle die gleichen sind. Der Marktzutritt müsse gewährleistet sein und die Rahmenbedingungen so, dass Innovationen in der Finanzbranche möglich seien. Zentrales Thema sei die Reputation, und dafür brauche es auch Promotion, sagte der künftige SIF-Chef. Sein neues Amt tritt er im Juli an.