Bundesratswahl
Parlamentarierinnen fürchten um zweifache Vertretung im Bundesrat

Der Sieg für Ignazio Cassis und den Kanton Tessin ist gleichzeitig eine Niederlage für die Frauen. Parlamentarierinnen von links bis rechts befürchten, dass nach dem Rücktritt von Doris Leuthard künftig nur noch eine Frau im Bundesrat sitzen könnte.
Publiziert: 20.09.2017 um 13:13 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 23:20 Uhr
Die Waadtländerin Isabelle Moret (Mitte) war die erste Bundesratskandidatin, die sich das Amt in der Landesregierung trotz schulpflichtiger Kinder zutraute.
Foto: KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Politikerinnen in der Wandelhalle bemühten nach der letztlich chancenlosen Kandidatur der Waadtländerin Isabelle Moret Durchhalteparolen. «Sie hat Geschichte geschrieben für die Frauen», sagte FDP-Frauen-Präsidentin und Zürcher Nationalrätin Doris Fiala. Sie sei die Erste gewesen, die sich das Amt in der Landesregierung trotz schulpflichtiger Kinder zugetraut habe.

Frau unterlag dem Tessin

Fiala wollte die Niederlage Morets nicht als solche bezeichnen. «Es war ein Sieg zugunsten des Tessins.» Die Waadtländer Nationalrätin sei eine hervorragende Kandidatin gewesen. Fiala will die Fahne für die Frauen weiter hochhalten «für die nächste Runde».

Damit spielte sie auf den Kampf um die Nachfolge von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann an, sollte dieser in nächster Zeit zurücktreten. Für diesen Fall gebe es zahlreiche valable Kandidatinnen innerhalb der FDP, sagte Fiala.

Sie nannte die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter, die ehemalige Fraktionschefin Gabi Huber oder Parteipräsidentin Petra Gössi. Letztere habe als Schwyzerin den Vorteil, dass ihr Kanton noch nie im Bundesrat vertreten gewesen sei.

«Es wird künftig schwierig sein, den Frauen zu erklären, weshalb als nächstes keine Frau gewählt werden soll», sagte Fiala. Nun sei es an den Linken, eine bürgerliche Bundesratskandidatin zu wählen. Sie nahm insbesondere die SP in die Pflicht, «die oft Frauen fordert, bei konkreten Kandidatinnen den Worten aber keine Taten folgen lässt».

«Frauen müssen sich selber um Untervertretung kümmern»

Die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer konterte umgehend. «Die FDP hätte es dieses Mal selber in der Hand gehabt, verspielte die Chance aber, indem sie ihre Kandidatin verheizt hat», sagte sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Moret habe innerhalb der FDP kaum Rückhalt bekommen.

Laut Leutenegger Oberholzer wäre die Wahl anders ausgegangen, wenn die FDP zwei Frauen ins Rennen geschickt hätte. «Wenn man wirklich eine Frau im Bundesrat will, dann müssen zwei Kandidatinnen aufs Ticket», sagte sie. Die SP habe dies in der Vergangenheit mehrmals bewiesen.

«Die Frauen müssen das Problem der Untervertretung selber in die Hand nehmen», forderte Leutenegger Oberholzer. Das Problem sei aber, dass sich bürgerliche Parlamentarierinnen selten für eine Frauenkandidatur starkmachten. Von Quotenregelungen ganz zu schweigen.

Frauenfragen in der Schweiz

Schwarz sieht derweil Regula Rytz. Die Präsidentin der Grünen sprach von einer Niederlage der FDP. Dass keine dritte Frau in den Bundesrat gewählt worden sei, sei eine «Riesenenttäuschung». Frauenfragen würden sowohl von den Medien als auch von der Politik immer noch als irrelevant angeschaut.

«Die Schweiz ist in Frauenfragen ein Entwicklungsland», sagte Rytz der sda. Dabei sei die Gleichberechtigung ein Menschenrecht, das nicht mit Füssen getreten werden sollte.

Rytz forderte alle Parteien auf, ihre Hausaufgaben in der Frauenfrage zu machen. Insbesondere auf der CVP laste nun ein grosser Druck, für die Nachfolge von Doris Leuthard eine Frau zu finden. Die Bundespräsidentin kündigte im Sommer an, spätestens Ende der Legislatur zurückzutreten.

Für Leuthard muss eine Frau her

«Sicher ist: Es müssen zwei Frauen aufs Ticket», verlangte Rytz. Darauf angesprochen, sagte CVP-Nationalrätin Viola Amherd, dass es innerhalb der Fraktion schwierig sein werde, zwei Frauen aufs Ticket zu setzen. «Das würde wohl nicht durchgehen.»

Auch sie sagte, dass es nicht dazu kommen dürfe, dass künftig nur noch eine Frau - die Berner SP-Justizministerin Simonetta Sommaruga - in der Landesregierung sitze. «Am liebsten wären mir mindestens zwei Frauen.» Aber die Frauen hätten es halt immer noch schwer.

Die Wahl Cassis' sei eine Frage der Gewichtung gewesen, sagte die Walliserin. Der Anspruch des Tessins sei von einer Mehrheit höher gewichtet worden als der Anspruch der Frauen. «Das muss man so akzeptieren.»

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