Kommenden Montag wird sich Sommaruga erneut mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker treffen, wie sie am Montag im Rahmen eines Rückblicks auf das Präsidialjahr vor den Medien bekannt gab. Zu erwarten sei vom Treffen in Brüssel eine Zwischenbilanz und eine politische Wertung, sagte Sommaruga.
Die Basis für eine Lösung sei geschaffen, der politische Wille sei vorhanden. «Ob das ausreicht, da wage ich keine Prognose», stellte die Bundespräsidentin fest. «Die Situation ist nach wie vor schwierig.»
Anfang Dezember hatte der Bundesrat angekündigt, dass er die Masseneinwanderungsinitiative mit einer Schutzklausel umsetzen will, wenn möglich im Einverständnis mit der EU. Die Lösung soll auf dem Personenfreizügigkeitsabkommen basieren: Dieses sieht vor, dass der Gemischte Ausschuss bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen Abhilfemassnahmen beschliessen kann.
Offen ist, inwiefern die Schweiz mit ihrer vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenquote solche schwerwiegenden Probleme geltend machen könnte. Sommaruga wollte mit Verweis auf die laufenden Gespräche nicht näher darauf eingehen. Ebenfalls ungewiss ist, wie die EU reagieren würde, wenn die Schweiz ohne einvernehmliche Lösung eine Schutzklausel beschliessen und anwenden würde.
Es gebe noch andere Möglichkeiten als die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens, gab die Bundespräsidentin zu bedenken. Vielleicht ergreife die EU Retorsionsmassnahmen in einem Bereich, an den man nicht gedacht habe. Vielleicht reagiere sie aber auch gar nicht. Erschweren könnte die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ein Ja zur Durchsetzungsinitiative, über die im Februar abgestimmt wird.
Für eine einvernehmliche Lösung mit der EU zur Zuwanderung bräuchte es laut Sommaruga den Einbezug der EU-Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission könne das nicht alleine entscheiden, sagte sie auf eine entsprechende Frage. Die EU hatte sich zunächst gar nicht erst auf Diskussionen mit der Schweiz einlassen wollen. Im Februar war es der Bundespräsidentin dann gelungen, Konsultationen zu vereinbaren.
Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war auch Thema bei den Besuchen des französischen Präsidenten François Hollande und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu den Höhepunkten von Sommarugas Präsidialjahr gehörten. Der Besuch Merkels zeigte laut Sommaruga, dass die Bundeskanzlerin pragmatische Lösungen mitträgt - und dass sie Probleme auch «von der lustigen Seite» betrachten kann.
Zu Beginn ihres Jahresrückblicks ging Sommaruga auf die Terroranschläge und die Flüchtlingskrise ein. Beide Phänomene setzte sie in Bezug zur Globalisierung, die zu einem verbreiteten Gefühl der Unsicherheit beigetragen habe. Die Folgen seien zunehmender Nationalismus und rechter Populismus. Auch offen rechtsextreme Parteien fänden mehr Zulauf.
«Ich erachte diese Entwicklung als beunruhigend», stellte Sommaruga fest - und appellierte an die Mitte-Parteien. Es sei entscheidend, wie sich diese in den nächsten Jahren verhielten - ob sie «weiter nach rechts» neigten oder klare Grenzen «gegen rechts aussen» setzten. In der Schweiz erwartet Sommaruga von den Mitteparteien insbesondere, dass sie in Abstimmungskämpfen für Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht einstehen.
Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und dem Terrorismus betonte Sommaruga, kein Land könne die Herausforderungen alleine bewältigen. Zusammenarbeit sei unabdingbar. Die Schweiz sei bisher vergleichsmässig wenig von der Flüchtlingskrise betroffen, stellte sie weiter fest.
Die Zahlen seien gestiegen, doch sei die Registrierung der Asylsuchenden sichergestellt. Die Schweiz sei gut vorbereitet gewesen, auch dank der Anstrengungen der Kantone. Misserfolge kamen in der Bilanz Sommarugas nicht vor. Auf eine entsprechende Frage reagierte sie mit der Gegenfrage, was gefehlt habe. Die Anwesenden machten keine Mängel geltend.