Das Bundesgericht hat sich am Mittwoch zum ersten Mal mit einem Fall befasst, der einen Bezug zum neuen Landesverweis hat. Das Gesetz ist seit dem 1. Oktober 2016 in Kraft.
Der Betroffene wurde unterdessen aus dem Genfer Gefängnis Champ-Dollon entlassen. Weil sich die gleiche rechtliche Frage wieder stellen könnte, hat das Bundesgericht die Sache dennoch behandelt.
Der Algerier wurde am 22. Dezember wegen Diebstahls und weiteren Delikten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zudem wurde ein Landesverweis von fünf Jahren ausgesprochen. Der Mann hatte keinen festen Wohnsitz in der Schweiz.
Weil die Genfer Behörden befürchteten, dass er untertauchen könnte, wurde er nach dem erstinstanzlichen Urteil in Sicherheitshaft behalten. Damit sollte sichergestellt werden, dass der Algerier bei vorliegen eines rechtskräftigen Urteils ausgeschafft werden kann.
Die erste öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts ist mit einer Mehrheit von vier zu einer Stimme zum Schluss gelangt, dass das Vorgehen der Genfer Behörden rechtmässig war und die Verhältnismässigkeit gewahrt wurde.
Die Angelegenheit zeigte dennoch auf, dass viele Fragen in Zusammenhang mit dem Landesverweis offen sind. Im Fall des Algeriers war zum Zeitpunkt der Anordnung der Sicherheitshaft immer noch möglich, dass er zweitinstanzlich zu einer unbedingten Strafe verurteilt wird.
Die Bundesrichter sehen es deshalb als zulässig an eine Sicherheitshaft anzuordnen, solange diese Möglichkeit besteht. Allerdings dürfe auch diese nicht beliebig lange dauern. Bei einem Schweizer Bürger in der gleichen Konstellation stellen sich diese Fragen gar nicht. Er müsste nach dem erstinstanzlichen Urteil freigelassen werden.
Ebenso unproblematisch wäre die Sache, wenn der Betroffene zu einer unbedingten Strafe verurteilt worden wäre. In solchen Fällen darf die Sicherheitshaft nicht länger Dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe.
Das Bundesgericht musste sich am Mittwoch auch mit der Frage auseinander setzen, ob beim Algerier anstatt in Sicherheitshaft nicht die Ausschaffungshaft angezeigt gewesen wäre, wie sie das Ausländergesetz regelt.
Da auch nicht straffällig gewordene ausländische Personen in Ausschaffungshaft gesetzt werden können, ist das Haftregime weniger rigid als in die Sicherheitshaft.
Weil es sich beim Freiheitsentzug um einen schweren Eingriff in die Grundrechte handelt, betonte der unterlegene Richter die Bedeutung der Verhältnismässigkeit. Er führte aus, dass die Sicherheitshaft während maximal zehn Tagen verhältnismässig sei.
Danach sei die Ausschaffungshaft und damit die mildere Haft anzuordnen. Die Bestimmungen bezüglich der maximalen Dauer der Sicherheitshaft dürften nicht beliebig ausgelegt werden.
Innerhalb der Frist von zehn Tagen hätte die Staatsanwaltschaft Zeit, um allenfalls Berufung einzulegen. Die für eine Ausschaffungshaft zuständige Administrativbehörde könne in dieser Zeitspanne zudem entscheiden, ob eine Ausschaffungshaft anzuordnen sei.
Nicht eingegangen ist das Bundesgericht auf das Problem, dass Algerien trotz Rücknahmeabkommen mit der Schweiz keine Landsleute aufnimmt, die sich weigern die Schweiz zu verlassen. Der Vollzug stockt. Ist es aussichtslos, dass jemand in sein Heimatland ausgeschafft werden kann, darf er nicht in Ausschaffungshaft behalten werden. (Fall 1B_61/2017 vom 29.03.2017)