In Sozialen Netzwerken tobt neuerdings unter dem Hashtag #saccageparis (sinngemäss: «Verwüstung von Paris") eine Debatte mit Tausenden Fotos aus der unaufgeräumten Millionenmetropole.
Im Internet entlädt sich Wut und Enttäuschung, vor allem gegen das Rathaus. Auch auf internationaler Ebene rumort es. Paris sei gefährdet, warnte Mary Campbell Gallagher aus New York. Sie leitet eine grenzüberschreitende Vereinigung zur Bewahrung der französischen Hauptstadt. «Die Stadtverantwortlichen sind tatsächlich dabei, ihre Schönheit zu ruinieren», monierte Gallagher in der Tageszeitung «Le Figaro» mit Blick auf die Kapitale.
Der Aufruhr ist für die im vergangenen Jahr wiedergewählte Bürgermeisterin Anne Hidalgo mehr als delikat. Die Sozialistin spanischer Herkunft ist auf dem Sprung in die nationale Politik, will im linken Lager bei der Präsidentenwahl in einem Jahr mitmischen. Zudem rüstet sich die französische Hauptstadt für die Olympischen Sommerspiele 2024.
Derzeit präsentiert sich aber ein eher tristes Bild: Paris ist schwer von den Folgen der Covid-19-Pandemie getroffen. Gerade in der Innenstadt bleiben wegen der Corona-Beschränkungen viele Restaurants und Läden geschlossen. Attraktionen wie das Louvre-Museum oder das Schloss von Versailles vor den Toren der Stadt, die üblicherweise mehrere Millionen Besucher im Jahr empfangen, warten seit Langem auf ihre Wiedereröffnung. Touristen, vor allem aus Übersee, bleiben weg. Dem Grossraum Paris entgingen im vergangenen Jahr Tourismuseinnahmen von über 15 Milliarden Euro.
Und Bürgermeisterin Hidalgo gerät in der Debatte über Schmutz und Schmuddel-Image unter Rechtfertigungsdruck. «Natürlich ist nicht alles perfekt», räumte die 61-Jährige in der zurückliegenden Woche im Radiosender RTL ein. Sie will nun den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Stadtbezirke mehr Kompetenzen bei der Stadtreinigung geben - das solle bis zum Sommer auf den Weg gebracht werden, versprach sie.
Im Übrigen vermutet die mächtige Rathauschefin hinter dem Hashtag #saccageparis eine politische Kampagne - es gebe Nähe zur extremen Rechten, meinte sie. In der Tat meldete sich die Rechtspopulistin Marine Le Pen bereits zu Wort und unterstützte unverhohlen den Online-Protest. Der Verfall der Hauptstadt sei ein «nationales Leiden», schrieb die Chefin der Rechtsaussenpartei Rassemblement National (früher: Front National) beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Die Lokalzeitung «Le Parisien» spürte nach eigenen Angaben den Initiator der Internetrevolte auf, der bisher anonym blieb. «@PanamePropre», so sein Name im Netz, bestreitet politische Motive: «Ich bin einfacher Pariser, der laut sagt, dass er die Schnauze voll hat», zitierte das Blatt den Mann. Er sei selbst überrascht vom Echo der Aktion, die nach eigenem Bekunden von einem Wutanfall über die Verwahrlosung der Stadt ausgelöst wurde.
Sauberkeit - das ist nach Worten von Hidalgo in der Tat ein «Pariser Problem». Schon vor Jahren empfahl Jack Lang, Kulturminister des damaligen sozialistischen Staatschefs François Mitterrand, der Bürgermeisterin, doch mal ins vorbildlich saubere Tokio zu reisen.
Noch viel länger zurück, im 18. Jahrhundert, bemängelte der Schriftsteller und Grossstadtreporter Louis Sébastien Mercier, dass Paris immer dreckiger werde. «Woher kommt diese Nachlässigkeit?», fragte er in seinem Werk «Tableau de Paris», das ein Bild der Grossstadt vor der Französischen Revolution von 1789 zeichnet. Jeder sei sich selbst der Nächste, der Sinn für das Allgemeinwohl sei wenig ausgeprägt, beklagte er im Kapitel über die Strassenkehrer. Vor diesen solle man sich übrigens in Acht nehmen, sie würden mit schlammigem Dreck geradezu um sich werfen, warnte Mercier.
Der Olympiastadt Paris bleibt nichts anderes übrig, als mehr gegen den Müll zu tun. Die Kommune will ihr Budget für Sauberkeit und Stadtreinigung auf eine Milliarde Euro pro Jahr verdoppeln, wie Hidalgo ankündigte. Es gibt bereits Tausende Müllbehälter im öffentlichen Raum. Sie sind sogar rattensicher und unzugänglich für die störenden Nager. (SDA)