Was genau in jener Nacht des 9. April 2019 in Zimmer 501 des Ferienhotels La Palma au Lac in Locarno-Muralto passierte, konnte auch das Gericht in Lugano TI nicht klären. Aber Richter und Geschworene sind sich sicher: Es gab kein erotisches Würgespiel, das schieflief. Anna R.* (†22) ist kaltblütig erdrosselt worden. Aus Rache, aus Wut, weniger aus Habgier. Daher war es kein Mord, so Richter Mauro Ermani.
Die Schwere der Tat aber komme einem Mord sehr nahe. Das Urteil fiel dementsprechend hart aus. Der Deutsche Dirk W.** (32) muss für 18 Jahre hinter Gitter. Im Anschluss wird er ausgewiesen und darf die Schweiz zwölf Jahre lang nicht mehr betreten.
Lügen und Widersprüche
Mehrere Aspekte führten zur Entscheidung des Geschworenengerichts. Die Unglaubwürdigkeit des Angeklagten. Der rücksichtslose Lebenswandel. Vor allem aber die Indizien, die Zeugenaussagen und Widersprüche, in die sich der voll tätowierte Mann verstrickte. Von der Version jener verhängnisvollen Nacht, glaube er ihm kein Wort, sagt der Richter in der Urteilsbegründung. Zu oft habe Dirk W. seine Aussagen dem jeweils aktuellen Ermittlungsstand angepasst, um sich aus der Schlinge zu ziehen.
Die Rechtsmedizin konnte an der Leiche keine Spuren von Geschlechtsverkehr oder Masturbation finden. Also Sex habe es in jener Nacht nicht gegeben, aber einen heftigen Streit, so der Richter weiter, bei dem auch Gegenstände flogen. Daran aber will sich Dirk W. nicht erinnern. Zudem: Die Erdrosselung habe nichts mit einem Würge-Spiel gemein – Anna R. wurde das Zungenbein gebrochen. Sie sei blau angelaufen. Dirk W. habe zugesehen, wie sie starb.
Der Richter beschreibt den Angeklagten als einen Opportunisten, egoistisch, narzisstisch mit antisozialen Zügen. Er habe ein Luxusleben führen wollen, auf Kosten anderer. Die Frauen habe er nur benutzt. Auch Anna R. liess er die Zeche zahlen. Der Britin habe er vorgelogen, vermögend zu sein. Möglicherweise habe Anna R. seine Lügen erkannt und sich trennen wollen.
Anna R. lag längere Zeit tot im Hotel-Badezimmer
Am 9. April 2019 meldet Dirk W. gegen 6.30 Uhr an der Hotelrezeption, dass es seiner Freundin schlecht gehe. Als der Rettungsdienst eintrifft, stellt dieser fest: Die junge Frau muss schon länger tot auf dem Boden des Bads gelegen haben. Hat sich Dirk W. nach der Tat die Zeit genommen, sich die Geschichte des Würge-Sex auszudenken? Der Richter geht davon aus. Denn laut Aussagen früherer Liebhaber habe Anna R. sadomasochistische Praktiken abgelehnt.
Auch die Behauptung, die Kreditkarte seiner Freundin sei beim Herumplenkeln versehentlich in die Lampe des Aufzugs gerutscht, sei unglaubwürdig, meint der Richter. Viel wahrscheinlicher sei es, dass Dirk W. nach der Tat die Karte dort versteckt hat, um sich noch Geld für die Heimreise zu ziehen. Denn auf dem eigenen Konto sei keins mehr gewesen. Mit dem Urteil folgt das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Yasar Ravi hatte auf die sofortige Entlassung seines Mandanten gehofft. Er wird gegen das Urteil Einspruch erheben, sagt er gegenüber Blick.
* Name der Red. bekannt
** Name geändert
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