Der Inländervorrang, der seit Juni 2018 gilt und die Masseneinwanderungs-Initiative 2014 umsetzen soll, erzürnt Arbeitgeber und Personalvermittler. BLICK deckte diese Woche auf: Regionale Arbeitsvermittlungszentren erledigen ihren Job nicht so, wie vom Seco vorgeschrieben.
So vermitteln sie meldepflichtige Stellen - also bei Berufsarten mit hoher Arbeitslosenquote - nicht an Arbeitgeber. «Arbeitsverweigerung», echauffiert sich darum etwa Ständerat Philipp Müller.
Für die Umsetzung verantwortlich ist Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Im BLICK-Interview verteidigt er die Arbeit der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) vehement, kündigt aber auch Verbesserungen beim Inländervorrang an.
BLICK deckte auf, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren ihre Arbeit etwa in der Ostschweiz nicht richtig machen. Sie führen so den Inländervorrang ad absurdum. Muss das Seco nun einschreiten?
Boris Zürcher: Ich möchte zuerst etwas klarstellen: Wir sprechen hier nicht von einem Inländervorrang, sondern von einem Stellensuchendenvorrang. Egal, ob der Stellensuchende Schweizer oder Ausländer mit Niederlassungsbewilligung ist - alle Arbeitssuchenden, die bei einem RAV registriert sind, profitieren davon. Zur BLICK-Berichterstattung: Ich habe sie gelesen und bin darüber nicht glücklich gewesen. Anders als der BLICK unterstelle ich allen Beteiligten, dass sie ihren Job korrekt und engagiert machen: sowohl im Seco als auch bei den Kantonen, den RAV und in den Unternehmen - und dass auch die Stellensuchenden motiviert sind.
Trotzdem gibt es gerade zwischen dem Seco und dem Kanton St. Gallen offensichtlich Differenzen. In Letzterem glaubt man, dass die Arbeit mit der Bereitstellung der Onlineplattform job-room.ch getan sei. Das Seco sieht hingegen vor, dass RAV und Arbeitgeber Hand in Hand arbeiten, um Stellen zu besetzen und Stellensuchenden einen neuen Job zu vermitteln.
Ich werde mich nicht zu einzelnen RAV äussern. Aber man muss sich schon vor Augen halten, dass die Meldepflicht für offene Stellen bei Berufsarten mit einer Arbeitslosigkeit von 8 Prozent erst seit zehn Monaten gilt. Da kann es schon sein, dass es hier und da noch Klärungsbedarf gibt in den Kantonen. Wir sind klar der Ansicht, dass es die Eigeninitiative der Stellensuchenden braucht - aber auch die aktive Vermittlungsarbeit der RAV, wo das möglich und sinnvoll ist.
Wann soll das nicht möglich sein?
Wir können die Ostschweiz als Beispiel nehmen. Dort gibts derzeit eine extrem tiefe Arbeitslosenquote - teilweise von unter zwei Prozent. Da ist es durchaus möglich, dass die RAV auch bei meldepflichtigen Stellen keine passenden Dossiers senden können, weil es schlicht keine Arbeitssuchenden gibt, die man an Arbeitgeber vermitteln könnte.
Aber eben: Bei den RAV in der Ostschweiz herrscht die Meinung vor, dass sie Dossiers den Arbeitgebern erst gar nicht zusenden müssen. Die Arbeitslosenquote wird hier nicht als Begründung angeführt. Wie setzt das Seco nun also die korrekte Umsetzung des Inländervorrangs um - wenn es, wie im Kanton St. Gallen etwa - hapert?
Wir stehen mit allen Kantonen in regelmässigem Kontakt und informieren uns vor Ort, wie die Personalberater arbeiten. Und ich bin wirklich überzeugt davon, dass an der Front grossmehrheitlich korrekt gearbeitet wird. Das zeigen auch Auswertungen des Seco: Bei rund der Hälfte der meldepflichtigen Stellen kann das RAV innert der vorgeschriebenen drei Arbeitstage Dossiers von Stellensuchenden Arbeitgebern zusenden. Und auch eine Umfrage des Verbandes der Personalvermittler, Swissstaffing, zeigte Anfang 2019, dass Personalvermittler in der Mehrheit sehr zufrieden mit der Arbeit der RAV sind.
Sie haben vorhin die tiefe Arbeitslosigkeit angesprochen: Macht angesichts des ausgetrockneten Arbeitsmarkts der Inländervorrang überhaupt noch Sinn?
Der Gesetzgeber verlangt den Stellensuchendenvorrang, und ich als Chef zusammen mit meine Mitarbeitenden bin verantwortlich für die Umsetzung. Unabhängig davon, wie hoch die Arbeitslosenquote gerade ist. Die Meldepflicht offener Stellen wurde im Übrigen zugunsten der Arbeitssuchenden in der Schweiz eingeführt. Vor allem sie sollen davon profitieren. Es geht hier also nicht in erster Linie darum, was sich Arbeitgeber wünschen. Mit den fünf Tagen Vorsprung, welche die Stellensuchenden für ihre Bewerbung haben, erhöhen sich ihre Chancen, eine Stelle zu bekommen. Das ist es, was wir erreichen wollen.
Skurril: Selbst wenn es in Berufsarten wie etwa beim Koch in einigen Regionen der Schweiz praktisch keine Stellensuchenden gibt, gilt für sie die Meldepflicht mitsamt fünftägiger Wartefrist. Dies, weil die gesamtschweizerische Arbeitslosenquote massgebend dafür ist, ob eine Stelle meldepflichtig wird oder nicht. Muss das Seco hier die Meldepflicht nicht viel realistischer gestalten?
Das Seco hält sich klar an die Vorgaben des Gesetzgebers. Es ist ein Geben und Nehmen: So sind auch die Stellensuchenden in der Pflicht, überregional nach einem passenden Job zu suchen. Der Gesetzgeber sagt etwa, dass ein Arbeitsweg von bis zu zwei Stunden für Arbeitssuchende zumutbar ist. Zudem können Arbeitssuchende auch die Branche wechseln, wo das möglich ist. Aber ja, wir müssen bei der Umsetzung des Stellensuchendenvorrangs noch Anpassungen vornehmen.
Wo?
Handlungsbedarf sehen wir etwa bei der Berufsnomenklatur, also der Einteilung von Berufsarten: Heute sind beispielsweise sämtliche Stellen fürs Küchenpersonal meldepflichtig. Obwohl es vielleicht wenige ausgebildete Köche, dafür viele Hilfsköche gibt. Wir arbeiten an einer genaueren Bezeichnung der einzelnen Berufsarten und sind im engen Austausch mit den grossen Berufsverbänden. Die Berufsnomenklatur wurde im Jahr 2000 für Statistiker entwickelt - nicht für diesen Stellensuchendenvorrang. Darum sehen wir hier durchaus noch Verbesserungspotenzial.
Der Inländervorrang gilt seit Juli 2018. Firmen, die Stellen ausschreiben für Branchen, in welcher eine Arbeitslosenquote von über acht Prozent herrscht, sind seither verpflichtet, die Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Die haben fünf Tage Zeit, den Firmen geeignete Stellensuchende vorzuschlagen. Die Firmen können Vorschläge der RAV aber ohne Begründung ablehnen - sie sind nicht verpflichtet, inländische Arbeitssuchende anzustellen.
Eine Meldepflicht besteht bei frei werdenden Stellen unter anderem für Küchenpersonal, Bauhauptgewerbe, Produktionsjobs - aber auch für Schauspieler und PR-Fachleute. Insgesamt gibt es aktuell für 19 Berufsarten eine Meldepflicht.
Der Vorsprung von fünf Tagen soll Schweizer Arbeitssuchenden einen Vorteil gegenüber Arbeitssuchenden aus dem Ausland verschaffen. Etwa bei Stellen, die schnell besetzt werden müssen. Vor allem in der Produktion, in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft kann das der Fall sein.
Ab Januar 2020 werden weitere Berufsarten hinzukommen. Dann nämlich gilt die Meldepflicht bereits ab einer Quote von fünf Prozent. (fr)
Der Inländervorrang gilt seit Juli 2018. Firmen, die Stellen ausschreiben für Branchen, in welcher eine Arbeitslosenquote von über acht Prozent herrscht, sind seither verpflichtet, die Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Die haben fünf Tage Zeit, den Firmen geeignete Stellensuchende vorzuschlagen. Die Firmen können Vorschläge der RAV aber ohne Begründung ablehnen - sie sind nicht verpflichtet, inländische Arbeitssuchende anzustellen.
Eine Meldepflicht besteht bei frei werdenden Stellen unter anderem für Küchenpersonal, Bauhauptgewerbe, Produktionsjobs - aber auch für Schauspieler und PR-Fachleute. Insgesamt gibt es aktuell für 19 Berufsarten eine Meldepflicht.
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