BLICK zu Besuch bei Kosovos Präsident Hashim Thaci (49)
«Die Kosovaren machen die Schweizer stolz»

Hashim Thaci (49) ist seit April 2016 Präsident des Kosovo. Für seine Anhänger ist er ein Kriegsheld – für seine Kritiker ein Kriegsverbrecher. BLICK konnte Thaci in seinem Regierungssitz in Pristina treffen – und sprach mit ihm über seine Zeit als Flüchtling in der Schweiz, die «Schatzis» und seine Rolle im Balkankrieg.
Publiziert: 10.08.2017 um 09:02 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:04 Uhr
«Die Kosovaren machen die Schweizer stolz»
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Kosovos Präsident Hashim Thaçi (49) im BLICK-Interview:«Die Kosovaren machen die Schweizer stolz»
Interview: Michael Sahli; Übersetzung: Fanol Ajdari; Fotos: Thomas Meier

BLICK: Sie haben von 1994 bis 1998 in der Schweiz gelebt, wohnten in Dietikon ZH, studierten an der Uni Zürich und arbeiteten als Zugrangierer. Erzählen Sie aus dieser Zeit.
Hashim Thaci: Ich hatte das Glück, während des Balkankriegs für drei Jahre in der Schweiz zu leben. Ich habe wunderbare Erinnerungen an die Menschen und das Land. Und bin froh, dass die Flüchtlinge, die damals Schutz suchten, heute ein Teil der schweizerischen Gesellschaft sind.

Dann können wir dieses Interview ja auf Deutsch führen …
Lieber auf Albanisch …

Wie gut sprechen Sie Deutsch?
(Antwortet auf Deutsch) Ich versuche es.

Einen Staatsbesuch gab es nicht seit der Gründung des Kosovo. Wann waren Sie das letzte Mal in der Schweiz?
(Weiter auf Albanisch) Unsere Beziehungen sind ausgezeichnet. Die Schweiz hat den Kosovo als eines der ersten Länder anerkannt. Wir sind dafür sehr dankbar. Selber war ich vor einigen Monaten in der Schweiz – aber nur im Transit. Wir sind jetzt auf die Arbeit hier konzentriert. 

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Der kosovarische Präsident Hashim Thaci empfängt den BLICK in Pristina.
Foto: Thomas Meier

Viele Menschen wollen weg aus dem Kosovo und in die Schweiz. Fehlen die hier nicht?
Wer möchte nicht in die Schweiz kommen! Auch Menschen aus der EU gehen in die Schweiz, von den Kosovaren ganz zu schweigen. Die Diaspora hat den Krieg unterstützt, um nach dem Krieg nach Kosovo zu kommen und hier zu investieren.

Auf den Strassen herrscht auch ein gewisser Neid. Die Schweiz-Kosovaren zeigen ihren Reichtum während den Sommerferien recht offensiv.
Ja, die Schweiz ist wie gesagt ein Land der Möglichkeiten. Und die Kosovaren müssen diese Chance natürlich maximal ausnutzen. In den Ferien kommen sie jetzt mit ihren Familien in den Kosovo und haben eine schöne Zeit. Die Familienbeziehungen sind stark. Aber auch der Wunsch, das Land zu erforschen.

Man nennt die Ausland-Kosovaren hier «Schatzi». Und das ist nicht immer positiv gemeint.
(Lacht) Ja, das hört man wirklich. Ich denke, das ist mehr witzig als beleidigend gemeint. 

Das Image der Kosovaren in der Schweiz ist gespalten. Es gibt Helden wie Shaqiri – aber auch Plakate  «Kosovaren schlitzen Schweizer auf». Was denken Sie darüber?
Früher gab es hie und da eine negative Wahrnehmung. Aber mittlerweile hat sich einiges geändert. Wir freuen uns, dass Shaqiri, Behrami und Xhaka in der Schweiz Helden sind. Die Kosovaren machen die Schweizer stolz. Und das macht mich stolz. In jeder Gesellschaft gibt es schlechte Menschen. Dafür gibt es das Gesetz. Ich war ja selber als Schutzsuchender in der Schweiz.

Ich war diese Woche in Mitrovica Nord, einer Stadt, die zwischen Serben und Albanern geteilt ist. Eine bedrückende Situation. Wann waren Sie das letzte Mal dort?
Letztes Jahr. Ich könnte aber auch heute hingehen. Wir haben schon viele Abkommen erreicht. Jetzt wird der Dialog mit Serbien in eine neue Phase treten: die Phase der Versöhnung zwischen unseren Staaten. Aber der Kosovo ist ein Land, unteilbar. Dieses Jahr gab es schwere Provokationen durch Serbien. Ich habe jetzt als Präsident regelmässigen Kontakt mit dem serbischen Präsident Vucic, damit es keine bösen Überraschungen mehr gibt. Der Dialog hat keine Alternative!

Einige Ihrer grössten Kritiker kommen aus der Schweiz. Alt Ständerat Dick Marty, der einen Bericht für den Europarat verfasste, ist sich sicher: Hashim Thaci ist ein Kriegsverbrecher.
Er ist nicht der Erste und auch nicht der Einzige. Aber ich bin stolz, was ich für mein Land getan habe. Ich habe drei Ziele in meinem politischen Leben gehabt. Erstens, die Freiheit des Kosovo. Zweitens die Unabhängigkeit. Diese beiden sind schon verwirklicht. Das dritte Ziel ist, dass Kosovo Teil der Nato und der EU wird – und das wird ebenfalls in naher Zukunft verwirklicht werden. Unser patriotischer Krieg war gerecht und sauber.

Der Bericht des Europarats von Marty verdächtigt Sie persönlich, in den Handel von Organen von Kriegsgegnern verwickelt gewesen zu sein.
Das sind einfach Fantasien, Science-Fiction und falsche Berichte.

Sie geben sich glatt wie Teflon. Warum sollten ein Schweizer und die EU solche Vorwürfe erfinden?
Also, Dick Marty war auch ein Gegner der Unabhängigkeit des Kosovo. Er war auch gegen die Bombardierungen der Nato. Der Zweck war klar: Er will den Kosovo als einen gescheiterten Staat präsentieren – aber vergeblich.

Egal, mit wem man über Sie spricht –  auch innerhalb der Swisscoy –, es heisst: Solange Ex-UCK-Leute an der Macht in Kosovo sind, ist das für Serbien immer eine Provokation …
… Das ist nicht wahr! Die Zusammenarbeit mit den Serben läuft ausgezeichnet. Rund zwei Millionen Menschen waren in der UCK. Jeder Bürger war ein Teil des patriotischen Kriegs. Es geht nicht darum, ob Kosovo von ehrlichen Menschen regiert wird. Oder von Menschen, die Belgrad gegenüber loyal sind. Sondern von Menschen, die demokratisch gewählt wurden.

Dieses Jahr sollen die Ex-UCK-Kämpfer in Den Haag vor einem Sondergerichtshof erscheinen. Auch Ihr Name kursiert. Es geht um Entführung, Folter, Ermordung von Zivilisten und Organhandel. Werden Sie die Einladung annehmen?
Man sollte diese Sache nicht personalisieren. Alle sind vor dem Gesetz gleich.

Also würden Sie hingehen?
Das ist meine kleinste Sorge. Für den Kosovo ist das Gericht eine gute Sache. Wir müssen uns von diesen Verleumdungen befreien.

Gibt es etwas, das Sie den Kosovaren in der Schweiz noch mitgeben wollen?
Ich hoffe, dass es bald zu einem Fussballspiel Schweiz gegen Kosovo kommt. Das wird interessant! Meine Botschaft an die Albaner in der Schweiz wäre: Integriert euch so gut wie möglich. Der Kosovo ist stolz auf euch!

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