Jetzt spricht der Chefpilot der Ju-Air
«Die Angehörigen baten mich weiterzufliegen»

13 Tage nach dem tragischen Unglück mit 20 Toten nimmt die Ju-Air schon am Freitag den Flugbetrieb wieder auf. BLICK sprach mit dem Chefpiloten über Absturz, Crew und die Zukunft der Rundflug-Airline.
Publiziert: 14.08.2018 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:34 Uhr
Mit welchem Gefühl steigen Sie in die Maschine ein?
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Chefpilot der Ju-Air:Mit welchem Gefühl steigen Sie in die Maschine ein?
Marco Latzer

Noch stehen die beiden verbliebenen Ju-52-Maschinen im Hangar. Schon diesen Freitag sollen sie wieder abheben. Nur 13 Tage nach dem Absturz ihrer baugleichen Schwester-Maschine. Diese flog beim tragischen Unglück am Piz Segnas mit 20 Menschen in den Tod.

Während draussen die Fahnen noch immer auf Halbmast hängen und ein Blumenbouquet an die drei verstorbenen Crew-Mitglieder erinnert, möchte die Ju-Air schnellstmöglich zur Normalität zurückkehren.

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Die Piloten der Unglücksmaschine: Rudolf J.* (†62, links) und Peter M.* (†63). Sie galten beide als sehr erfahrene Flieger.
Foto: Markus Dobrozemsky/Austrian Wings

Andreas Pfisterer (49), Chefpilot der Ju-Air, gesteht im Gespräch mit BLICK: «Den optimalen Zeitpunkt gibt es nicht. Für die einen kommt er zu früh, für die anderen zu spät. Für uns steht aber fest: Wir wollen, dass es weitergeht.» Das sei man den 160 Freiwilligen, die sich ehrenamtlich für die Rundflug-Airline engagieren, schuldig.

Seine persönliche Überzeugung, dass es richtig ist, bald wieder in die Luft zu gehen, gewann der Ex-Swissair-Pilot bei einem Schlüsselerlebnis: Letzte Woche seien Angehörige gekommen, um das Auto ihrer Verstorbenen abzuholen.

«Wir standen alle unter Schock. Ich bin mit ihnen in den Hangar gegangen und habe ihnen die Ju-52 gezeigt. Beim Abschied sagten sie: ‹Fliegt weiter! Wir wollen das!›», schildert Pfisterer. «Ich fühle mich in der Pflicht weiterzufliegen.» Auch seine Familie unterstütze ihn in dieser Absicht.

Zehn Prozent der Passagiere sagen ab

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Andreas Pfisterer, Chefpilot der Ju-Air, steigt diesen Freitag erstmals nach dem Unglück am Piz Segnas wieder ins Cockpit.
Foto: Thomas Meier

Das schlimmste Schweizer Luftfahrtunglück seit 2001 trifft die Ju-Air hart. Zehn Prozent aller Passagiere sind von ihren Flügen zurückgetreten, weitere zehn Prozent möchten ihr Abenteuer verschieben.

Andreas Pfisterer selbst steigt schon am Freitag wieder ins Cockpit: Nachdem der Erstflug nach Bensheim (D) abgehoben ist, pilotiert er einen Abendflug mit der zweiten Ju-52.

«Es wird Emotionen geben und Gefühle auslösen. Natürlich denkt man beim Einsteigen auch an die verunglückten Kollegen. Ganz ausblenden kann man einen solchen Unfall nie», gibt der Chefpilot zu.

Technische Ursache praktisch ausgeschlossen

Aber man sei gut aufgestellt, die Crews äusserst erfahren. «Die Flugfähigkeit muss und wird gewährleistet sein», verspricht der ehemalige Bazl-Fluginspektor. Man werde sich deutlich mehr Zeit für Flugvorbereitung und Gespräche nehmen als sonst.

Und wer sich seiner Sache nicht sicher ist, fliegt nicht. Die Sicherheit stehe an erster Stelle. «Es gibt keinen Hinweis auf technische Mängel. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass die Flugzeuge hundertprozentig sicher sind!»

Was bei der Ursachensuche das Verhalten der Piloten in den Vordergrund rückt. «Für mich ist es unerklärlich, wie sie in diese Situation gekommen sind», sagt Pfisterer.

Chefpilot kann Verhalten der verunglückten Crew nicht nachvollziehen

Laut Augenzeugen schlug die Ju-52 am Ende einer scharfen Linkskurve am Fusse des Segnas-Passes ein. Sekunden vor dem Aufprall habe es sich senkrecht und in freiem Fall befunden.

Ein klares Indiz für einen Strömungsabriss, einen sogenannten Stall. Ein seltenes Ereignis. «Ich selbst habe das mit der Ju noch nicht erlebt», sagt Pfisterer. 

Klar scheint: Die Hitze alleine dürfte kaum der Grund sein. Solche Bedingungen seien für eine erfahrene Crew «Routine», befindet der Chefpilot.

Mit «Plan B» ins Unglück?

Auch eine damit verbundene zu geringe Flughöhe hinterlässt Fragezeichen. «Schliesslich sind sie nach dem Start in Locarno ja über die erste Alpenkette gekommen.»

Und selbst wenn die Ju-52 zu tief gewesen wäre: «Wenn man über einen Pass fliegt, gibt es Optionen, falls man nicht über die Krete kommt. Man hat einen Plan B», erklärt Chef-Flieger Pfisterer.

Führte dieser dann zur verhängnisvollen Linkskurve? Momentan pure Spekulation. «Ich glaube an eine Verkettung unglücklicher Umstände. Auch erfahrene Piloten können Fehler machen», sagt der Mann, der seit 2003 für die Ju-Air fliegt.

Verhaltensvorgaben für Piloten geplant

Als Konsequenz wird Pfisterer vor der Wiederaufnahme des Betriebs am Freitag «freiwillige Massnahmen» prüfen. Sie werden das Resultat einer internen Analyse sein und dürften den Piloten gewisse Vorgaben im Flugverhalten machen.

Hier stürzten die Ju-52-Opfer in den Tod
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Drohnenaufnahmen von der Absturzstelle:Hier stürzten die Ju-52-Opfer in den Tod

Es ist der Kampf um das Vertrauen der Passagiere und die Zukunft der Ju-52. «Die Faszination ist der Oldtimer an sich. Man fliegt einen Mythos. Und das soll noch lange so sein», beschreibt Andreas Pfisterer seine Leidenschaft.

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