BLICK: Ich habe drei Internetseiten besucht für härteste Pornografie, Körperausscheidungen inklusive. Alle drei Adressen sind für alle Alter frei zugänglich. Was sagen Sie?
Patrick Dehmer: Es ist leider unvermeidlich, dass Kinder und Jugendliche im Netz auf solche Inhalte stossen. Die drei Links werde ich der Kobik (Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) melden, damit diese Seiten auf die Blacklist gesetzt und von den Zugangsprovidern gesperrt werden. Obwohl die Gefahr besteht, dass die Betreiber diese Inhalte nach der Sperrung morgen über andere Adressen auf irgendeiner Seite auf einer staatenlosen Bohrinsel oder ähnlich wieder aufschalten.
Warum sperrt nicht die Swisscom?
Wir haben mit der Kobik ein Abkommen: Sie erstellt im Auftrag des Bundes Listen von Websites mit illegalen, beispielsweise kinderpornografischen Inhalten. Swisscom sperrt diese, sobald sie davon Kenntnis hat. Solche Sperrungen müssen in geordneten Bahnen ablaufen. Jemand, also die Kobik, muss eine Bewertung zuhanden aller Provider vornehmen. Die Kobik entscheidet, welche Internetangebote gegen die Gesetze verstossen. Wir als Access-Provider dürfen ja auch keine Websites fälschlicherweise sperren.
Also trifft Swisscom keine Verantwortung?
Swisscom ist sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst. Wir investieren sehr viel Energie und Geld in den Jugendschutz: in Prävention, Sensibilisierung und Aufklärung.
Konkret?
Ein Beispiel von vielen: Wir haben die Initiative «Schulen ans Internet» initiiert und geben dafür jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag aus. Wir haben mittlerweile 1,5 Millionen Schüler auf ihrem Weg ins Internet begleitet. Mit sicheren Computern. Auch die anderen Schweizer Anbieter engagieren sich.
Das betrifft Computer. Was tut Swisscom bei den Smartphones?
Der Zugang ins Internet unterscheidet sich nicht mehr wesentlich zwischen Computern und Smartphones. Bei den Smartphones lässt sich für rund sieben Franken ein Jugendschutzfilter aktivieren, um Websites, Inhalte und Apps zu blockieren. Wir informieren darüber in unserer Broschüre «Enter. Ratgeber digitale Medien». Zudem führen wir Medienkurse für Eltern, Lehrpersonen und Schüler durch, letztes Jahr allein über 700-mal. Ich werde bei meinen Kindern diesen Filter sicher einsetzen.
Wie sicher sind die Filter?
Jede technologische Hürde kann überwunden werden. Es ist eine Frage des Know-hows und des Aufwands, den jemand dafür aufwenden will. Für durchschnittliche Anwender sind die verfügbaren Filter durchaus tauglich. Sie sind im Rahmen dessen, was man heute tun kann, sicher. Illegale Webseiten sind leider nicht mehr nur über die einschlägigen XXX- oder Porno-Adressen erreichbar, sondern auch über täuschende Namen, und die Filter müssen permanent aktualisiert werden.
Es gibt den Jugendschutz-Artikel im Strafgesetzbuch. Indem Swisscom solche Inhalte nicht selber sperrt, macht sie sich nicht täglich tausendfach strafbar?
Im juristischen Sinn machen sich die Anbieter nicht strafbar. Sonst würden längst etliche Strafverfahren laufen. Es ist aber keineswegs so, dass sich Swisscom hinter den Paragrafen verstecken will. Wie gesagt, wir nehmen unsere soziale Verantwortung ernst und wahr.
Warum sperrt Swisscom nicht global alles, was an Gesetzeswidrigem per Internet ins Land kommt?
Als Access-Provider in der Schweiz haben wir nicht die Möglichkeit, das ganze Internet zu überwachen. Nicht einmal totalitäre Überwachungsstaaten schaffen das. Zudem würde es auch nicht dem Willen der Gesellschaft entsprechen. Es besteht die legitime Forderung nach Informationsfreiheit und nach Verzicht auf staatliche und private Zensur.
Beim Verkauf ist Swisscom stark, beim Schutz aber schwach? Überwachung funktioniert technisch doch auch, wie man bei der NSA gesehen hat. Warum der Schutz nicht?
Erstens: Eine hohe kriminelle Energie ist schwierig zu bekämpfen. Zweitens: Die globale technische Sperrung ist praktisch unmöglich. Man sollte eher versuchen, Kriminellen den Geldhahn zuzudrehen. Wir Anbieter unternehmen technisch grosse Anstrengungen, um unsere Kunden bestmöglich zu schützen. Genügen wird das nie. Sie sind nur Begleitmassnahmen. Aufklärung und Förderung der Medienkompetenz müssen hinzukommen.
Also Symptom- statt Ursachenbekämpfung? Pädagogische Massnahmen müssen reparieren, was zuvor angerichtet wurde?
Gäbe es eine Software, die alle Probleme löst, würde sie jeder verantwortungsvolle Anbieter sofort noch so gerne implementieren. Wir haben in unserem Team hochspezialisierte und topmotivierte Mitarbeiter, die alles versuchen, um Missbrauch zu verhindern. Hundertprozentiger Schutz ist jedoch nicht möglich.
Verdient Swisscom Geld an für Jugendliche frei zugänglicher Pornografie?
Nein. Wir verzichten bewusst auf sämtliche Angebote solcher Natur, auch bei unserem TV-Angebot. Dieses Geld will Swisscom nicht.
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