BLICK im Corona-Notstandsgebiet Tessin
«Die Politiker hören nicht auf uns!»

Ein Tag nachdem der Tessiner Staatsrat den Notstand ausrief, bereiten sich die Menschen im Südkanton auf schwere Zeiten vor. Die ersten Gemeinden rebellieren gegen die Massnahmen von Bund und Kanton.
Publiziert: 12.03.2020 um 22:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2020 um 10:14 Uhr
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Wie gefährdet sind Kinder in Schule und Kindergarten? Diese Frage beunruhigt Eltern und Gemeinden. Viele lassen ihre Kinder zu Hause.
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
Myrte Müller

Das Tessin ist im Corona-Fieber. Der unheimliche Erreger aus China ist im Südkanton angekommen – auch zunehmend in den Köpfen der Menschen. Drei der sieben Schweizer Corona-Toten kommen aus dem Tessin. Über 180 sind infiziert, darunter mit Marco Solari (75), dem Präsidenten des Filmfestivals Locarno, auch ein Prominenter. Die Zahlen schockieren.

Gestern Nachmittag ruft die Tessiner Regierung zwar den Notstand aus. Doch die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Virus kommen nur scheibchenweise. Kinos, Theater, Fitness-Center sind zu schliessen, so die Anordnung. Die Grenze aber bleibt für Pendler aus Italien offen, und auch die Schulpflicht bis zur neunten Klasse gilt weiter. Das kommt nicht gut an.

Besorgte Eltern laufen Sturm. Einzelne Gemeinden verweigern Bund und Kanton den Gehorsam. Monteceneri macht die Schule dicht. Auch in Cadenazzo gibt es keinen Unterricht. Kinder können aber im Schulgebäude betreut werden. Am Donnerstagnachmittag folgen Lugano und Locarno. Die Städte heben die gesetzliche Schulpflicht auf. Der Unterricht geht weiter. Die Teilnahme ist freiwillig.

Viele Eltern lassen ihre Kinder lieber zu Hause

«Die Hälfte der Eltern haben ihre Kinder zu Hause gelassen», sagt Renzo Marielli, Vize-Gemeindepräsident von Cadenazzo. Kantonsweit fehlte jedes fünfte Kind in der Schule. «Ich habe grosse Angst», sagt Kelly Muoio (38) aus Cadenazzo, «dass mein Sohn sich bei Klassenkameraden ansteckt und seinen kleinen Bruder infiziert.»

«Mein Vater hat ein Lungenleiden», sagt Doriana Salvan (42) aus Losone. «Für ihn ist der Virus lebensgefährlich.» Nun habe auch noch ihre Schwiegermutter (66) Symptome, würde auf Corona getestet. «Wer von den Politikern schützt uns? Sie hören nicht auf ihre Bürger», schimpft Salvan. Ihre Zwillinge (13) lässt die Tessinerin jedenfalls nicht mehr in die Sekundarstufe. Obs der Kanton nun will oder nicht.

Orlando Guidetti von der örtlichen Lega warnt: «Eine Gemeinderätin hat sich während des Karnevals in Losone mit Corona angesteckt. Der Virus ist also seit über zwei Wochen hier herum. Die Schule hätte längst geschlossen werden müssen.» Denn, so Guidetti, das ist erst der Anfang. «Es wird ja alles noch viel schlimmer.»

In Locarno entsteht das erste Corona-Spital der Schweiz

Auf den medizinischen Notfall bereitet sich unterdessen das Regionalspital «La Carità» vor. Zelte stehen vor Eingang und Notaufnahme. Das Spitalpersonal trägt Mundschutz. Bei Betreten jeden Raums werden Hände desinfiziert.

«La Carità» wird das erste offizielle Corona-Spital der Schweiz. «Alle anderen Patienten kommen in andere Tessiner Spitäler. Wir werden nur noch Corona-Infizierte behandeln», sagt Direktor Luca Merlini. 210 Betten stehen dann den infizierten Patienten zur Verfügung. Die Intensivstation wird von 8 auf 32 Betten ausgebaut. Wächst der Ansturm, steht die Privatklinik Moncucco in Lugano als zweites Corona-Spital in den Startlöchern.

Besuchsverbot in den Altersheimen

Das grüne Gebäude in Sementina wirkt verwaist. Die Tür ist verriegelt. Ein Aushang sagt die Kirchenmesse ab. Besucher dürfen schon seit Tagen nicht mehr rein – und die Senioren nicht mehr raus. Zu gross ist die Gefahr, dass die älteren Menschen infiziert werden könnten. «Jeder Mitarbeiter erhält ein Screening, bevor er die Arbeit beginnt. Viele kommen aus Italien», erklärt Anna Abbondanza hinter ihrer Atemschutzmaske. Für sie seien Zimmer im Tessin gebucht worden, falls die Grenze schliesse.

Im Patriziat von Camorino krempelt Pietro Ghisletta (25) die Ärmel hoch. Seit gestern hat er eine Gruppe zusammengetrommelt. «Unsere Alten sollten nicht das Haus verlassen. Wir kaufen für sie ein und kümmern uns um sie.» Eine App vernetzt die Helfer.

Silvio Deidda (56) leidet unter dem Virus. Nicht an den Symptomen der Krankheit. «Der Virus vertreibt mir die Gäste», sagt der Gerant des Hotels Rovere in Losone. Zwei Fussballmannschaften aus der Deutschschweiz haben abgesagt. «Fast alle Zimmer für Ostern wurden ebenfalls storniert. Ich habe Angst, dass das bis zum Sommer so weitergeht», klagt Silvio Deidda. «Ohne finanzielle Hilfe vom Kanton kann ich dichtmachen.»

Coronavirus

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