BLICK-Gerichtsreporter Vik Dammann erinnert sich an Hugo Portmann
«Ich glaubte ihm, dass er nicht morden wollte»

Bankräuber Hugo Portmann (59) lieferte der Polizei und mir vor 36 Jahren eine der spektakulärsten Verfolgungsjagden der Schweizer Kriminalgeschichte.
Publiziert: 28.02.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:15 Uhr
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Hugo Portmann (l.) in Begleitung eines Polizeibeamten vor dem Gerichtssaal des Bezirksgerichts Münchwilen TG am Donnerstag, 15. März 2001.
Foto: Keystone
Viktor Dammann

Der damals 23-jährige Hugo Portmann raubte im Juni 1983 innert zwei Wochen zwei Banken aus. Die Polizei verfolgte den Räuber mit einem Heli und einem Dutzend Streifenwagen. Im Schlepptau der Grossaktion: der BLICK-Fotograf Erwin W. Wyrsch – und ich. 

Wir waren nur wenige Meter hinter der Polizeikolonne, als Portmann mit einem Range Rover bei Jona SG einem quergestellten Polizeiwagen ausweichen wollte und in ein parkiertes Auto donnerte. Dabei traf ihn eine Polizeikugel in die Lunge. Den Range Rover hatte Portmann zuvor aus dem Beutegeld gekauft. Für seine Tat wurde er 1984 mit zwölf Jahren Knast bestraft. Dabei versprach er den Richtern: «Ich mache weiter!»

Er trank gerade eine Ovi

1988 löste er sein Versprechen ein und überfiel im Hafturlaub an seinem ehemaligen Wohnort Adliswil ZH zum zweiten Mal die Kantonalbank. Beute: 200'000 Franken. Wieder jagten ihn Streifenwagen und ein Heli. Sechs Stunden später konnte er in einem Restaurant, vor sich eine Ovomaltine, wieder geschnappt werden. Dies brachte ihm erneut neun Jahre Zuchthaus ein.

Gerichtsreporter Viktor Dammann berichtete 1983 für den BLICK über Hugo Portmann.
Foto: Shane Wilkinson

Das Husarenstück gelang ihm am 10. Mai 1992, nachdem er in die Tessiner Strafanstalt La Stampa versetzt worden war. Er nutzte einen bewilligten Berglauf zur Flucht. Nachdem Portmann mit dem Direktor des Gefängnisses, der ebenfalls am Lauf teilgenommen hatte, im Ziel angekommen war, setzte der Knasti seinen Lauf einfach fort.

Kugel verletzte ihn an der Hand

In der Nacht auf den 11. Mai klaute Portmann in Walchwil ZG einen Töff, mit dem er in Baar ZG in eine Polizeikontrolle geriet. Dabei kam es zu einer Konfrontation mit einem Polizisten. Portmann schoss fünfmal in Richtung des Beamten, der jedoch nicht getroffen wurde. Portmann seinerseits wurde durch die Kugel eines weiteren Polizisten an der Hand verletzt. Portmann gelang es jedoch, sich der Festnahme zu entziehen.

Im Zürcher Säuliamt drang Portmann darauf in eine Wohnung ein. Mit der Waffe in der Hand liess er sich dort die Hand verbinden. Der überfallene Familienvater sagte mir später, Portmann habe sich anständig verhalten und sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt. Drei Tage später konnte er in Hellikon AG verhaftet werden. Gegen hundert Polizisten hatten ein Waldstück umstellt.

«Habe direkt ins Mündungsfeuer gesehen»

Im Oktober 1995 berichtete ich mit meinem Reporterkollegen Josef Ritler über den Prozess vor dem Strafgericht Zug. Der Staatsanwalt hatte Portmann unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und versuchtem Mord wegen der Schüsse auf den Zuger Polizisten angeklagt. Der Beamte sagte aus, er habe «direkt ins Mündungsfeuer hineingesehen».

Portmann vor Gericht: «Der Polizist stand unbeweglich wie ein Pappkamerad vor mir. Ich hätte ihn ohne Probleme treffen können – doch ich schoss bewusst vorbei.» Der Polizist habe sein ganzes Magazin verschossen und sich danach auf den Boden gelegt. «Da habe ich noch zweimal über ihn hinweggeschossen, um ihn psychologisch kampfunfähig zu machen.»

Portmann wies in der Verhandlung auf seine Kampf- und Schusserfahrung bei der Fremdenlegion hin. Als der Staatsanwalt dies anzweifelte, meinte Portmann giftig: «Trottel. Sie sollten sich bei der Legion einschreiben lassen. Aber vergessen Sie die Zahnbürste nicht.»

Das Gericht verurteilte ihn bloss wegen Gefährdung des Lebens. Die fünf Jahre Gefängnis wurden, wie frühere Urteile, in eine Verwahrung umgewandelt. Ich selber hätte als Richter nicht anders entschieden. Ich nahm Hugo Portmann ab, dass er den Polizisten weder treffen noch töten wollte. 

Bankraub mit Walter Stürm 

Vier Jahre später, am 21. Februar 1999, hatte Portmann erneut Drang nach Freiheit. Er ging in der Strafanstalt Realta GR erneut auf Kurve. Drei Tage später überfiel er mit zwei Komplizen eine Filiale der Thurgauer Kantonalbank in Horn TG. Der eine Komplize war der «Schweizer Ausbrecherkönig» Walter Stürm (damals 57) – er brachte sich ein paar Monate später in der U-Haft um.

Hugo Portmann hatte bis zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre Knast gefasst.

Im Januar 2006 nahm der verwahrte Portmann mit mir Kontakt auf. Er schilderte mir die «menschenunwürdige Behandlung», die ihm nach der Verhaftung im Thurgau widerfahren war. Dasselbe sei offenbar auch Walter Stürm passiert. Er gehe mit seiner Beschwerde bis nach Strassburg. 

Bei unserem Briefwechsel fügte er einmal an: «Warnung: Rechtschreibung beherrsch ich überhaupt nicht, ich bin Legastheniker. Das ist mir aber nicht peinlich!» Zum Dank bastelte er mir eine Karte am Computer, die zeigte, wie er sich meine Person vorstellte.

Seine baldige Freilassung freut mich. Ich glaube, dass Hugo Portmann seine Chance packen wird. Ich hatte ihm bei einem Telefongespräch geraten, sich doch einer Therapie nicht länger gänzlich zu verweigern. Doch dies lehnte er «aus Prinzip» ab. 

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