«Meine Brüder versuchen zuhause unser Land zu verteidigen»
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Die Schicksale der Flüchtlinge:«Meine Brüder versuchen zuhause unser Land zu verteidigen»

Blick an der ukrainischen Grenze, wo die Flüchtlinge von Putins Krieg ankommen
Froh zu leben, in Sorge um die Liebsten

Sie flüchten vor dem Krieg, den Wladimir Putin in ihr Land gebracht hat: Ukrainerinnen und Ukrainer reisten über die polnisch-ukrainische Grenze in Sicherheit. Ihre Zukunft: Ungewiss.
Publiziert: 03.03.2022 um 09:05 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2022 um 18:01 Uhr
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Lesya (44) flüchtete aus Lwiw: «Meine Tochter ist Ärztin und ist in der Ukraine geblieben, um zu helfen. Die Menschen hier in Polen haben mich sehr gut aufgenommen. Trotzdem will ich so schnell wie möglich wieder in die Heimat. Mein Herz tut weh. Und ich habe Angst um alle Familienmitglieder, die zurückgeblieben sind. Aber das Wichtigste ist, dass ich die Kinder retten konnte.»
Foto: Samuel Walder
Samuel Walder und Benjamin Fisch

In Medyka, an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen, kommen Putins Opfer an: Hunderttausend ukrainische Kriegsflüchtlinge, fast nur Frauen und Kinder, überqueren jeden Tag die polnische Grenze. Sie mussten alles zurücklassen auf der Flucht vor dem Krieg, der über ihr Land hereingebrochen ist. Blick ist an die ukrainische Grenze westlich von Lwiw gereist und hat mit den Menschen gesprochen.

Auf der polnischen Seite werden die Ukrainer von Freunden und Verwandten und einer Masse von freiwilligen Helfern empfangen. Es sind Szenen grosser Erleichterung, noch am Leben zu sein. Aber auch Terror und Sorge. Denn fast jede hier musste Verwandte zurücklassen. Männer im kampffähigen Alter dürfen nicht ausreisen. «Mein Vater ist im Krieg gegen Russland», sagt eine junge Frau und bricht in Tränen aus. In den Städten stecken Millionen fest. So bleiben den Geflüchteten hier nur Fotos ihrer Liebsten. Und die Hoffnung, sich irgendwann wiederzusehen.

«Manche waren tagelang zu Fuss unterwegs»

«Wir versuchen einfach zu helfen, wo es geht», sagt einer der Freiwilligen zu Blick. Und: «Die Leute, die hier ankommen, sind in einem katastrophalen Zustand. Manche waren tagelang zu Fuss unterwegs.» Die Dankbarkeit bei den Ukrainern für die Solidarität ist gross. «Danke, dass ihr uns beisteht», hört man immer wieder.

Zwölf Kilometer von der Grenze entfernt haben die Behörden zusammen mit freiwilligen Helfern eine provisorische Auffangstation aufgebaut. Auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums stehen Zelte und Stände. Helfer schöpfen Suppe und Tee für die geflüchteten Ukrainer. Ein junger Mann verteilt SIM-Karten. Freiwillige Helfer organisieren den Weitertransport mit Privatautos. Jeder hilft, wo er kann.

«Es ist ein Chaos»

Lange muss niemand an diesem Ort bleiben. Mit Gratis-Busfahrten geht es weiter in andere Städte. Erschöpfte finden Unterschlupf in einem Hotel oder werden in einer Wohnung aufgenommen. An Platz mangle es momentan noch nicht, sagt Anna Strelec, eine Helferin der Stadt, zu Blick. Ob das so bleibt, ist offen: In den nächsten Tagen werden wohl Zehntausende weitere Flüchtlinge ankommen.

Auf die Organisation der Auffangstation angesprochen, sagt Anna Strelec. «Es ist ein Chaos und trotzdem funktioniert es, weil genug Freiwillige mithelfen.»

Alexandra Karle, Präsidentin von Amnesty International Schweiz, rechnet mit fast einer Million Menschen, die momentan auf der Flucht vor den russischen Truppen sind. Sie prangert an, dass für Wladimir Putin Menschenleben offensichtlich nicht viel wert sind: «Wir können belegen, dass von Russland kein Unterschied zwischen militärischen Zielen und Zivilisten gemacht wird; dass Streubomben, obwohl international geächtet, auch in Wohngebiete fielen, auf Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten. Und dass auch Kinder ums Leben kamen», sagt sie zu Blick.

«Ganze Städte sind dem Erdboden gleichgemacht worden»

Dass die Zivilbevölkerung immer mehr in die Kampfhandlungen hineingezogen wird, hat für Amnesty International System: «Es geht den Russen darum, die Zivilbevölkerung anzugreifen und so zu demoralisieren.»

Auch wenn der Krieg morgen vorbei wäre – die Wunden würden in der Ukraine noch lange zu sehen sein, so die Expertin: «Ganze Städte sind dem Erdboden gleichgemacht worden. Es wird Monate oder Jahre dauern, die Infrastruktur wiederaufzubauen. Brücken wurden gesprengt und ganze Strassenzüge zerstört.»

Karle geht davon aus, dass viele der ukrainischen Flüchtlinge in die Schweiz kommen werden, da sie bei uns Verwandte und Freunde haben. Und: «Der Bundesrat hat ja schon am Sonntag gesagt, dass auch die Schweiz Flüchtlinge aufnehmen wird. Wir appellieren, dass das so unkompliziert wie möglich passiert. Und dass die Menschen schnell und unkompliziert Hilfe bekommen.»

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