Es ist eine der ärmsten Gegenden Rumäniens. Von hier stammt der frechste Kriminaltourist der Schweiz. SonntagsBlick berichtete gestern über ihn: Vasile Stanciu (35) narrt seit vier Jahren die Polizei, erbeutete bei seinen Diebeszügen im Bündnerland Ware im Wert von rund 150'000 Franken.
Mit dem Geld baute der Rumäne in Satu Nou für seine Mutter sowie seine künftige Ehefrau und den gemeinsamen Sohn zwei Häuser. Sie liegen bei Vaslui, einer Stadt im Osten Rumäniens mit 70'000 Einwohnern.
Dass Rumänen nach Westeuropa reisen, um zu stehlen, wissen hier die meisten. Fast jeder in Vaslui hat von Leuten gehört, die in Westeuropa auf Diebestour gehen. Auch Andrej Misale (23): «Aber ich kenne niemanden persönlich.» Misale arbeitete in Italien auf dem Bau und in der Landwirtschaft. «Ich habe alles gemacht, um Geld zu verdienen. Aber gestohlen habe ich nie.»
In der Westmoldau liegt die Arbeitslosigkeit offiziell bei über 15 Prozent. In Wahrheit arbeiten fast alle, die arbeiten können, im Ausland. So wie die elf Geschwister von Adam Florin (19). Sie sind in Westeuropa verteilt. «In Italien, England, Frankreich … überall.» Adam selbst ist arbeitslos. «Ich möchte in meiner Heimat einen Job, weil ich mein Land nicht verlassen will.»
Wer einen der wenigen Jobs in Vaslui ergattert, wird schlecht bezahlt: Zwischen 200 und 300 Euro im Monat verdient ein Arbeiter durchschnittlich. «Das Problem ist, dass die jungen Leute hier keine Arbeit finden», sagt Cati Caramalau (46). Ihre 19-jährige Tochter arbeitet in Italien als Hundesitterin, 300 Euro verdient sie im Monat.
Zusätzlich erhält sie Kost und Logis. Das Problem liegt laut Caramalau bei der Regierung: «Sie schafft einfach keine Jobs!»
Wohl auch deshalb kommen überdurchschnittlich viele Einbrecher aus der Gegend von Vaslui. «Allein im letzten Jahr erhielten wir acht Rechtshilfegesuche aus Europa», sagt Mihaela Straub von der Regionalpolizei. Erst im letzten Dezember stellten die Niederlande ein Gesuch, weil einem Mann aus Vaslui eine Einbruchserie nachgewiesen werden konnte.
Er war auf Einbrüche in Baumärkte spezialisiert, klaute Geräte wie etwa Kettensägen. «Der Mann muss sich jetzt regelmässig bei uns auf dem Polizeiposten melden. Wird er in den Niederlanden rechtskräftig verurteilt, verhaften wir ihn», sagt Mihaela Straub.
Das gleiche Schicksal blüht dem frechsten Einbrecher der Schweiz, Vasile Stanciu. Noch ist aber bei den Behörden in Vaslui das von der Schweiz gestellte Gesuch um Rechtshilfe nicht eingetroffen. «Liegt dieses vor, werden wir handeln», heisst es bei der Polizei in Vaslui.