Der SP-Regierungsrat Philippe Perrenoud präsentierte am Freitag den vierten Sozialbericht des Kantons Bern. Daraus geht hervor, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet.
Die Einkommen der finanziell Schwächsten im Kanton Bern haben seit 2001 um rund einen Drittel abgenommen. Die mittleren und oberen Einkommensschichten hingegen konnten ihre Einkommen leicht steigern.
Bei den Vermögen hat die Ungleichverteilung in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen. 2013 verfügten 5,4 Prozent der Haushalte im Kanton Bern über ein Reinvermögen von einer Million Franken oder mehr. Diese Haushalte besitzen zusammen mehr als die Hälfte des gesamten Reinvermögens.
In den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten gibt es immer mehr Menschen, die den Kontakt zum Arbeitsmarkt dauerhaft verlieren, lautet eine weitere Erkenntnis des Berichts.
Arme müssten aber am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilhaben können, betonte der bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektor Perrenoud vor den Medien in Bern. Dies sei wichtig für den Zusammenhalt und die Stabilität der Gesellschaft.
Wer den Ausschluss von Bevölkerungsgruppen aus der Gesellschaft kurzfristig in Kauf nehme, müsse damit rechnen, «dass längerfristig Aubervilliers und Clichy in den Agglomerationen von Bern, Biel und Thun Einzug halten», sagte Perrenoud. Er spielte damit auf französische Banlieues an, in denen es immer wieder zu sozialen Spannungen kommt.
Der am Freitag vorgestellte vierte Sozialbericht überblickt eine Zeitspanne von 2001 bis 2013. Zu Beginn dieser Periode war fast jede achte Person im Kanton Bern von Armut betroffen. Perrenoud war seinerzeit angetreten, um die Armut im Kanton Bern innerhalb von zehn Jahren zu halbieren.
Dieses Ziel hat der Gesundheits- und Fürsorgedirektor bei weitem nicht erreicht, wie er einräumte. Im Jahr 2013 waren rund 12,6 Prozent der Haushalte mit Personen im Erwerbsalter arm oder armutsgefährdet. In absoluten Zahlen sind dies rund 78'500 Personen.
Das Ziel, die Armut und den Ausschluss aus dem wirtschaftlichen und sozialen Leben zu minimieren, müsse unbedingt bestehen bleiben, forderte Perrenoud, der im kommenden Jahr von seinem Amt zurücktritt.
Perrenoud wünscht sich darum, dass der Kanton die Präventionsmassnahmen gegen Armut weiterführt, verbessert und ausbaut. Die bestehenden Instrumente der Existenzsicherung, insbesondere die Sozialhilfe, müssten erhalten werden, um den Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen aus der Gesellschaft nicht weiter anzuheizen.
Von Armut an stärksten betroffen oder gefährdet sind im Kanton Bern Alleinerziehende, IV-Rentner sowie Ausländerinnen und Ausländer.