Weil er seine Geschwister 16 Kilometer zur Schule fährt
Braver Bauernbub soll vor Gericht!

Da es keinen Schulbus gibt, fährt Simon den 16 Kilometer langen Schulweg mit dem Jeepli zur Schule. Plötzlich schnappt ihn die Polizei.
Publiziert: 26.11.2012 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:43 Uhr
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Am Steuer sitzt Simon (15). Neben ihm Sämi (11). Hinten (v. l.) Albert (8), Chrigeli (6) und Samantha (10).
Foto: Peter Mosimann
Von Adrian Schulthess

Noch vor der ersten Schulstunde legen die Kinder der Bauernfamilie Räuftlin 16 Kilometer zurück. Vom Althüsli gleich unterhalb der Hasenmatt hinab nach Selzach und Bellach SO.

Von 1317 auf 450 m ü. M. hinunter, vom Bauernhof und Bergrestaurant ins Tal.

Einen Schulbus gibt es hier nicht. Deshalb setzt sich Simon Räuftlin (15) jeden Morgen um 6.45 Uhr ans Steuer eines Landwirtschafts-Suzuki.

Fährt seine Geschwister Sämi (11), Samantha (10), Albert (8) und Chrigeli (6) ins Primarschulhaus nach Selzach. Um dann allein nach Bellach weiterzufahren, wo er die dritte Oberstufe besucht.

Das Kleinstauto haben Mutter Timna (38) und Vater Christoph (41) extra für den Schulweg angeschafft. «Das Jeepli hat uns vor ein paar Jahren 15 500 Franken gekostet. Aber das wars uns wert», sagt Christoph Räuftlin.

Mini-Jeep fährt nur mit Tempo 30

«Es ist die einzige Möglichkeit, dass die Kinder sicher in die Schule kommen. Das Jeepli fährt nur 30, hat eine grüne Landwirtschaftsnummer. Und man darf es mit der Traktorenprüfung fahren, die man schon mit 14 machen kann.»

Davon jedenfalls waren die Räuftlins lange überzeugt. «Es gab nie ein Problem! Auf dem Strassenverkehrsamt bekamen wir das Okay. Lange fuhr unser Ältester, Michael, damit herum. Die Polizei hat nie reklamiert», sagt der Vater.

Doch am Donnerstagmorgen schreiten die Ordnungshüter ein: Als Simon Räuftlin beim Oberstufenschulhaus in Bellach vorfährt, empfangen ihn zwei Kantonspolizisten.

Nur im landwirtschaftlichen Verkehr erlaubt

«Was er da tue, sei illegal, sagten sie ihm. Sie nahmen seine Personalien auf, er komme vor den Jugendrichter!», erzählt der Vater. «Er dürfte zwar grundsätzlich fahren. Aber eben nur im landwirtschaftlichen Verkehr, zum Beispiel in die Landi. Und nicht jeden Tag zur Schule.»

Jetzt stehen die Eltern vor einem Riesenproblem. Sie haben zwar ein Auto, in das alle Kinder passen. Aber den Schulchauffeur-Dienst selbst zu übernehmen, ist unmöglich.

«Es geht nicht, alle Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Wir haben einen Mutterkuhbetrieb und ein Bergrestaurant. Vor allem im Winter schaffen wir das nicht. Ich muss auch noch mit dem Traktor den Schnee räumen», sagt Vater Christoph.

Vater: «So ein Jeepli hat in der Gegend jeder»

Er will sich juristisch wehren. «Wir müssen kämpfen. Eine andere Lösung gibt es eigentlich nicht. Und so ein Jeepli hat in der Gegend jeder, da reklamiert die Polizei auch nicht.»

Mutter Timna: «Sonst müssten wir den Kindern eine Wohnung im Tal mieten. Aber das liegt finanziell einfach nicht drin.»

Und wenn das alles nichts nützt? Dann hilft wohl nur Bauernschläue. «Landwirtschaft­liche Fahrten sind ja erlaubt», sagt Christoph Räuftlin.

«Vielleicht muss Simon einfach immer eine Schachtel Eier im Auto haben. Oder die Gemeinde muss einen Schulbus stellen!»

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