Von Überlingen bis Sustenpass
Die Pannenliste von Skyguide

Seit 2001 ist Skyguide sowohl für die zivile als auch die militärische Flugsicherung in der Schweiz zuständig. Der F/A-18-Absturz am Susten ist der zweite gravierende Vorfall in der Geschichte des Unternehmens.
Publiziert: 07.09.2016 um 14:59 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:09 Uhr
«Es tut uns unendlich leid!»
1:31
Skyguide-Sprecher zum F/A-18-Absturz:«Es tut uns unendlich leid!»

Seit gestern ist gewiss: Skyguide ordnete dem Piloten der abgestürzten F/A-18-Maschine eine falsche Flughöhe an. Danach brach der Funkkontakt zum Tower ab. Der Jet von David G. (†27) zerschellte in der Folge an einer Krete des Hinter Tierbergs. Es ist der zweite Zwischenfall mit tödlichen Folgen in der Geschichte des Unternehmens. 

Im Jahr 2001 hatte Skyguide in der Schweiz neben der zivilen auch die militärische Flugsicherung übernommen – ein Novum in der europäischen Luftfahrt. Nur ein Jahr nach dem Mega-Deal sah sich die Genfer Firma jedoch bereits in den ersten Absturz verwickelt, gefolgt von mehreren Beinahe-Katastrophen.

1. Juli 2002: Im von Skyguide kontrollierten Luftraum über Überlingen (D) am Bodensee kommt es zu einer Kollision zweier Zivil-Maschinen. Um 23.35 Uhr stossen in einer Höhe von 36'000 Fuss (12'000 Meter über Meer) eine Tupolew 154 der russischen Fluggesellschaft Bashkirian Airlines und ein Frachtflugzeug der Firma DHL zusammen. Alle 71 Insassen, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche, kommen ums Leben. 18 Monate später wird der in der Unglücksnacht diensthabende Flugverkehrsleiter von einem Angehörigen dreier Opfer des Unglücks ermordet. Im Jahr 2007 befindet das Bezirksgericht Bülach, dass die Kollision hätte vermieden werden können, wenn ein zweiter Lotse im Dienst gewesen wäre. Obwohl die Unterbesetzung mit nur einem Lotsen als Risikofaktor bekannt war, ergriffen die Verantwortlichen jedoch keine Gegenmassnahmen. Vier leitende Skyguide-Angestellte werden später wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Skyguide: Herrin der Lüfte

Die Firma Skyguide ist heute alleine für die Überwachung des Schweizer Luftraumes zuständig. Das war in ihrer Geschichte nicht immer so: 1922 als Telegrafieunternehmen gegründet (damals noch unter dem Namen Marconi Radio AG), wurde ihr erst 1931 die Verantwortung für die zivile Flugsicherung in der Schweiz übertragen. Und erst 2001 erteilte der Bund dem Unternehmen zusätzlich dasselbe Mandat für die Militärfliegerei. In der Folge wurde die bis dahin getrennte zivile und militärische Flugsicherung unter dem neuen Namen Skyguide in einem Unternehmen vereinigt.

Skyguide verwaltete somit als erste Flugsicherung in Europa den gesamten Luftraum eines Landes. Faktisch blieben die zivile und militärische Flugsicherung im Unternehmen jedoch getrennt. Denn: Ihre Aufgabenschwerpunkte unterscheiden sich stark voneinander. Beispielsweise hat ein ziviler Fluglotse viel mehr Verkehr auf einmal zu bewältigen, allerdings hat er auch mehr Systeme, die ihn dabei unterstützen. Der militärische Lotse hat hingegen relativ wenige Flugzeuge gleichzeitig auf einer Frequenz, doch sind diese Maschinen wegen den militärischen Verfahren viel arbeitsintensiver. Auch brauchen die Militärpiloten viel mehr Unterstützung vom Boden. (gr)

Die Firma Skyguide ist heute alleine für die Überwachung des Schweizer Luftraumes zuständig. Das war in ihrer Geschichte nicht immer so: 1922 als Telegrafieunternehmen gegründet (damals noch unter dem Namen Marconi Radio AG), wurde ihr erst 1931 die Verantwortung für die zivile Flugsicherung in der Schweiz übertragen. Und erst 2001 erteilte der Bund dem Unternehmen zusätzlich dasselbe Mandat für die Militärfliegerei. In der Folge wurde die bis dahin getrennte zivile und militärische Flugsicherung unter dem neuen Namen Skyguide in einem Unternehmen vereinigt.

Skyguide verwaltete somit als erste Flugsicherung in Europa den gesamten Luftraum eines Landes. Faktisch blieben die zivile und militärische Flugsicherung im Unternehmen jedoch getrennt. Denn: Ihre Aufgabenschwerpunkte unterscheiden sich stark voneinander. Beispielsweise hat ein ziviler Fluglotse viel mehr Verkehr auf einmal zu bewältigen, allerdings hat er auch mehr Systeme, die ihn dabei unterstützen. Der militärische Lotse hat hingegen relativ wenige Flugzeuge gleichzeitig auf einer Frequenz, doch sind diese Maschinen wegen den militärischen Verfahren viel arbeitsintensiver. Auch brauchen die Militärpiloten viel mehr Unterstützung vom Boden. (gr)

31. Juli 2008: Ein Skyguide-Fluglotse erteilt am Flughafen Zürich zwei Linienflugzeugen auf sich kreuzenden Pisten kurz nacheinander die Start- bzw. Landeerlaubnis. Es kommt beinahe zu einer Kollision. Später kommt die Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle (Sust) zum Schluss, dass der Vorfall von Skyguide intern nur unzulänglich aufgearbeitet wurde. Weder fand eine Nachbesprechung zwischen dem betreffenden Fluglotsen und der Firmenleitung statt, noch wurden sonst irgendwelche Massnahmen getroffen.

15. März 2011: Am Flughafen Zürich kommt es erneut zu einer Beinahe-Kollision zwischen zwei Airbussen. Derselbe Lotse wie beim Zwischenfall 2008 erteilt den beiden auf sich kreuzenden Pisten startenden Maschinen unmittelbar nacheinander die Starterlaubnis. Im Nachgang beschuldigt die Staatsanwaltschaft den Lotsen der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs. Das Urteil des Bezirksgerichts Bülach ist noch hängig.

11. August 2012: An der deutschen Grenze nordwestlich des Flughafens Zürich kommt es zu einer gefährlichen Annäherung zwischen einer Swiss-Langstreckenmaschine und einem Segelflugzeug, das von einem Freizeitpiloten ohne Transponder gesteuert wird. In ihrer Untersuchung kommt die Sust zu Schluss, dass den Fluglotsen von Skyguide eine Mitschuld trifft. Dieser hatte nämlich dem Swiss-Jet eine Sinkflugfreigabe auf eine Höhe erteilt, die im Luftraum unter der niedrigsten zulässigen Flughöhe für Instrumentenflüge lag – ohne dabei zu überwachen, dass diese Flughöhe nicht unterschritten wurde.

Schweizer Flugsicherung – ein hausgemachtes Problem? Aviatik-Publizist Hansjörg Bürgi widerspricht: «Der Schweizer Luftraum ist der anspruchsvollste Europas. Der jüngste Vorfall ist zwar tragisch, doch ist und bleibt er ein absoluter Ausnahmefall.»

Bürgi sieht den Knopf woanders: «Das Problem ist, dass die Politik bestimmt, wie geflogen wird. Harmonischer wäre es, wenn die Flugsicherung federführend wäre. So entstehen unnötige Risiken – und ausbaden muss es am Ende Skyguide.» (gr)

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