Aus den USA kennt man solche Geschichten gut. Soul-Legende Al Green (69) ist Priester – «Reverend Al Green» nennt man ihn. Ganz passend, dass Philippe Stalder von sich selbst sagt: «Je länger, desto mehr mag ich Soul-Musik.»
Stalder ist der «Reverend» der Schweizer Musikszene. «Manchmal nennen Kollegen mich den ‹Seelsorger für Töne›», sagt er. Im 50-Prozent-Pensum ist er reformierter Pfarrer in Gümligen. Die restliche Zeit arbeitet er als Tontechniker im Studio und an Konzerten – in der Nacht auf Freitag mischte er auf dem Gurten die Thuner Band Undiscovered Soul.
Konfirmanden im Publikum
«Für mich ist das definitiv kein Widerspruch», sagt Stalder. Musik und Religion hätten viele Gemeinsamkeiten. Er spricht vom rituellen Charakter, von der Musik in der Kirche. Vom Backstage-Bereich blickt er hinunter auf die Fans vor der Waldbühne, wo gerade James Gruntz spielt. «Ich habe kein Problem damit, wenn die Leute aus meiner Gemeinde wissen, dass ich in der Musikszene bin.» Sehr wahrscheinlich sind ein paar seiner Konfirmanden im Publikum.
Bekannt war Stalder vor allem als musikalischer Jungspund, als Gitarrist und Cellist in der Ur-Besetzung von Patent Ochsner. Nach der dritten CD «Gmües» und der Reise mit der Band nach Madagaskar trennte man sich.
Die zwei Leidenschaften
Den Weg zur Fifty-Fifty-Lösung beschreibt Stalder als schwierig. Jahrelang habe er probiert, die beiden Interessen unter einen Hut zu bringen. Er hatte eine 80-Prozent-Stelle als Pfarrer. «Ich glaubte: Am Abend kannst du ja gut Musik machen.» Die Zeit reichte nicht. Ein Pfarrer kann nicht jeden Abend abschalten.
Dass die Musik zu kurz kam, zeigt er an einem Beispiel auf: Seine erste Solo-CD, «Wohlium 1», erschien 1999. Stalder möchte dieses Jahr das zweite Album fertig produzieren – «nach sieben Jahren ständig unterbrochener Arbeit.