Einmal über Interlaken BE schweben. Es ist ein Traum, den sich der US-Amerikaner Chris Gursky an seinem ersten Urlaubstag Mitte Oktober erfüllen möchte.
Zusammen mit einem Tandem-Piloten gehts bei bestem Wetter auf eine Anhöhe. Die Bedingungen sind perfekt. Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein. Kurzes Training, dann wird es für Chris ernst. Beide Männer laufen los. Was Gursky da noch nicht weiss: Er ist nicht gesichert!
Dachte, das war es
Als der Gleiter in die Luft steigt, sackt der Auto-Händler auf einmal nach unten. «Mein Körpergewicht verlagerte sich plötzlich nach unten, ich musste um mein Leben kämpfen», sagt Gursky. Er habe nach unten gesehen und gedacht: «Das war es.»
Mit beiden Armen klammert er sich an den Piloten, der gesichert in der Halterung liegt. Der Deltasegler steigt immer höher und höher. Es geht über Wiesen und Bäume. Gursky weiss: Wenn er loslässt, stürzt er in die Tiefe.
Dann verliert er mit seiner rechten Hand den Halt. «Der Pilot packte meine Hand. Aber wie in einem Actionfilm rutschte sie in Zeitlupe ab und ich versuchte weiter Halt zu finden.» Mit der rechten Hand krallt sich Gursky an das Bein des Piloten, mit der linken Hand an die Metallstange.
Harte Landung mit Handgelenkbruch
Ganze 2 Minuten und 14 Sekunden dauert der Horror-Flug. Länger kann sich Gursky kaum halten. Dann endlich steuert der Pilot auf eine grosse Wiese zu. Der Landeanflug beginnt. Als der Deltasegler über das Gras fliegt, kann er nicht mehr. Der Ami lässt los, fällt zu Boden.
Der US-Tourist muss ins Spital gebracht werden. Die linke Bizepssehne ist gerissen, das rechte Handgelenk ist gebrochen. Er wird operiert. Eine Titanplatte und sieben Schrauben braucht es, um den Bruch zu fixen.
Will noch einmal fliegen
Doch der Manager ist froh, noch zu leben. Er lädt das Video seines Flugs auf Youtube. Und schreibt dazu: «Die Landung war zwar hart, aber ich habe überlebt.»
Auch wenn der Amerikaner fast gestorben wäre, würde er es wieder machen. Und er zeigt Galgenhumor: «Ich werde noch einmal Delta segeln müssen. Meinen ersten Flug konnte ich gar nicht geniessen.»
Wütend auf den Piloten sei er nicht. Dieser habe zwar einen Fehler gemacht, aber alles versucht, um ihn zu retten. «Er hielt mich am Gurtzeug fest, während er mit einer Hand flog.» Ausserdem habe er den Segler schnell landen können.
«So etwas darf nicht passieren»
Der Chef der verantwortlichen Hängegleiter-Firma kann sich den Fehler nicht erklären. Der Pilot sei sehr erfahren, würde seit Jahren solche Flüge machen. Er entschuldige sich für den Vorfall. So etwas dürfe nicht passieren.
Seit mehr als 15 Jahren betreibt er die Firma in Interlaken. Wie es genau zu dem Sicherungs-Fehler kommen konnte, kann er nicht sagen. Der Chef selber befindet sich gerade in Ferien, in zwei Tagen wird er wieder in der Schweiz sein. Er ist froh, dass Gursky den Vorfall auf die leichte Schulter nimmt.