Blitzartig verlässt Viviane O.* (36) nach der Urteilseröffnung in Thun BE gestern Nachmittag den Saal. Sie wird des Mordes an ihrem Ehemann und Des-Alpes-Beizer Thomas F.** (†61) in der Nacht auf den 19. Oktober in Interlaken BE schuldig gesprochen. O. muss 16 Jahre hinter Gitter, kassiert vom Fünfer-Gremium zusätzlich einen Landesverweis von zwölf Jahren. Dieser soll im Anschluss an die Haftstrafe vollzogen werden. Ausserdem soll sie für die Verfahrens- und Anwaltskosten aufkommen und der Schwester des Opfers eine Genugtuung von 6000 Franken bezahlen.
Schon während der Urteilsbegründung des Gerichtspräsidenten drückte die einstige Profi-Boxerin ihren Unmut aus. Sie nuschelte unverständlich, was den Richter wütend machte. Dieser drohte der Brasilianerin mit dem Rauswurf aus dem Gerichtssaal: «Sie reden mir nicht noch einmal rein! Sonst verweise ich sie aus dem Saal!»
Staatsanwältin von Polizisten flankiert
Bereits an den ersten beiden Prozesstagen nervte die Beschuldigte den Richter mehrfach, beispielsweise als sie beim Schlusswort die Staatsanwältin Barbara Wüthrich stets direkt angesprochen und sie stark kritisiert hatte. Die Luft zwischen den beiden Frauen beim Schlusswort der Angeklagten war zum Schneiden dick – Viviane O. fixierte die Staatsanwältin sekundenlang mit starrem Blick, nachdem sie sich zuvor in Rage geredet hatte.
Gestern an der Urteilsbegründung wurde Wüthrich – anders als zuvor – schliesslich von zwei Polizisten flankiert. Ob man erwartet hatte, dass mit der mutmasslichen Mörderin bei den Ausführungen des Richters die Emotionen durchgehen?
Dieser hat nämlich ausführlich erklärt, dass man der Argumentation des Verteidigers keinen Glauben schenke. Beispielsweise könnten die von ihm geltenden gemachten Einbruchsspuren nicht als solche angesehen werden: «Das kann kein Einbruchschaden sein. Die Täterschaft hat offenbar zur Ablenkung die Balkontüre geöffnet, sie wurde nicht aufgebrochen.» Ausserdem seien sowohl der befragte Zeuge als auch der Sohn von Viviane O., der aus einer früheren Ehe stammt und zum Zeitpunkt der Tat neun Jahre alt war, als glaubwürdig zu werten. Auch das zweifelte der Rechtsanwalt der Kampfsportlerin in seinem Plädoyer an.
Die Beschuldigte habe ein krass egoistisches Verhalten an den Tag gelegt, sagte der Richter. «Sie hat das Leben des Opfers massiv gering geschätzt. Es war eine kaltblütige Tötung mit einem längeren Leiden des Opfers, was das Spurenbild zeigt.» Das Gericht geht darum von Mord aus.
Der Verteidiger Rouven Brigger (43), er hatte einen Freispruch gefordert, ist mit dem Urteil nicht zufrieden und sagte Blick: «Wir werden es ans Obergericht weiterziehen.» Für ihn ist die Unschuld seiner Mandantin erwiesen – die Polizei habe ungenügend in die Richtung einer unbekannten Täterschaft ermittelt.
Ob die Staatsanwältin ebenfalls in Berufung geht, ist noch unklar. Viviane O. bleibt nun für mindestens drei weitere Monate in Sicherheitshaft, weil das Gericht Fluchtgefahr sieht. Bis zum Eintritt der Rechtskraft gilt für die Mordverdächtige die Unschuldsvermutung.
* Name bekannt
** Name geändert