Die Bilder des Dramas haben sich tief ins kollektive Gedächtnis des Landes gebrannt: leblose Körper, die bis in den Brienzersee gespült werden oder mit Helikoptern geborgen werden müssen. Am 27. Juli jährt sich eine der grössten Tragödien der jüngeren Schweizer Geschichte. Dann ist es 20 Jahre her, dass 21 junge Menschen bei einer Canyoning-Tour im Saxetbach im Berner Oberland ihr Leben in einer Sturzflut verloren. Eine der 24 Überlebenden ist Tiffany Johnson (41). Sie kann die schweren Stunden nie mehr vergessen. Die Australierin war damals 21 Jahre alt und überstand das Canyoning-Drama wie durch ein Wunder. In einem Buch beschreibt sie nun das Unglück – und die schwierige Aufarbeitung des Erlebten.
Der Tag habe wunderschön begonnen, erinnert sie sich im Gespräch mit BLICK. Das änderte sich schlagartig: «Als wir die Hälfte der Strecke hinter uns hatten, wurden wir plötzlich von der Welle erfasst!» Danach ist das Leben der Australierin nie mehr dasselbe. «Ich habe nach rechts geschaut, um mich zu orientieren», beschreibt sie den Moment, als sie nach dem Wasserschwall wieder an die Oberfläche gespült wird. «Ich sah meine toten Freunde vorbeitreiben – mit ihren Gesichtern nach unten.» Das eben noch klare Wasser hatte sich schlagartig zu einer dunklen Brühe verfärbt.
Das Holz bricht Rippen, zerdrückt ihre Organe
Die junge Touristin wird von einem treibenden Baumstamm gegen Felsen gedrückt. «Mit der Kraft eines Autos bei einer Vollbremsung», erinnert sie sich. Das Holz bricht ihre Rippen, zerdrückt Organe: «Ich dachte, das überlebst du nie.» Die Welle reisst Baumstämme, Steine und Menschen mit. An diesem verheerenden 27. Juli türmt sich die Wasserwalze auf zwei Meter. Johnson hat enormes Glück, kann schliesslich aus dem Wasser gerettet werden.
21 junge Touristen, viele aus Australien, kommen nicht mehr lebend aus der Schlucht. Ein Körper ist bis heute nicht gefunden. Erst nach und nach wird klar: Die Organisatoren des tödlichen Trips haben Warnungen von Einheimischen ignoriert. Die wussten: Bei einem Gewitter wird das Wasser flussaufwärts wie in einem Trichter gefangen. Und dann in die enge Saxetenschlucht gedrückt. Später werden sich mehrere Verantwortliche der Firma, die den Trip organisierte, vor Gericht verantworten müssen.
Das Buch «Brave Enough Now» (dt. «Mutig genug nun») ist ab sofort auf Englisch verfügbar und kann in verschiedenen Webshops bezogen werden. Auf 249 Seiten beschreibt die Autorin ihren Weg von einer kleinen Farm in Australien nach Europa. Sie strandet ihn England und will mit der Canyoning-Tour eine neue Herausforderung wagen. Trotz des Verlusts geliebter Menschen findet sie so am Ende auch zu sich selbst.
Das Buch «Brave Enough Now» (dt. «Mutig genug nun») ist ab sofort auf Englisch verfügbar und kann in verschiedenen Webshops bezogen werden. Auf 249 Seiten beschreibt die Autorin ihren Weg von einer kleinen Farm in Australien nach Europa. Sie strandet ihn England und will mit der Canyoning-Tour eine neue Herausforderung wagen. Trotz des Verlusts geliebter Menschen findet sie so am Ende auch zu sich selbst.
Dunkle Tage und Erinnerungen
Auch Tiffany Johnson hat noch Jahre mit den Ereignissen zu kämpfen: «Es war am Anfang unglaublich schwierig. Es gab Zeiten, wo ich dachte, in der Schlucht zu sterben, wäre besser gewesen.» Nur dank der Unterstützung ihrer Familie – und professioneller Hilfe – habe sie geschafft, neuen Lebenswillen zu fassen: «Ich beschloss, mein Leben zu leben. Nicht nur für mich, sondern auch für diejenigen, die gestorben sind.»
So drehe sich ihr Buch dann auch nicht nur um den Todeskampf im Wasser, sondern eben auch um den Kampf um neuen Lebenswillen. «Das Schreiben war ein weiterer Schritt, das Ganze zu verarbeiten. Ich habe so viel geweint dabei», sagt die Autorin.
Rückkehr an den Ort des Grauens
Einen grossen Schritt hat die Zweifachmama aus Melbourne aber noch vor sich: Ende Juli will sie zum ersten Mal seit dem Unglück wieder ins Berner Oberland reisen. «Ich wusste immer, dass ich irgendwann zurückkehren würde», erklärt sie. Im Vorfeld der Reise ist sie auch in Kontakt mit anderen Überlebenden und Angehörigen von Verstorbenen. «Es wird sicherlich sehr emotional wieder in der Schweiz zu sein und den speziellen Geruch der Erde und der Bäume wahrzunehmen. Auch das erste Mal wieder Wasser in der Schlucht zu hören.» Sie weiss, dass alles wieder hochkommen wird, aber: «Das ist wichtig für meine Heilung.»