Immer wieder versammeln sich am Sonntag Freunde an der Stelle unter der rund 2,2 Meter hohen Mauer am Bahnhof in Bern-Bümpliz. Halten inne. Trauern. Tränen fliessen. Man nimmt sich in den Arm. Die Stimmung ist ruhig, bedrückt.
Hier verlor in der Nacht auf Samstag eine Sprayerin (†29) ihr Leben. Die Schweizerin war auf der Flucht vor der Polizei, sprang über das Geländer, stürzte und verletzte sich dabei so schwer, dass sie später im Spital verstarb. Sie sei mit dem Kopf auf den Betonboden geknallt, erzählen Bekannte vor Ort.
Laut BLICK-Recherchen handelt es sich bei der Verstorbenen um Rahel K.* Eine Lehrerin aus der Region, die in der Künstlerszene verkehrte und beliebt war.
«Man hätte sie weiter vorne abfangen können»
Ein junger Mann spricht aus, was viele denken: Klar habe Rahel K. etwas Illegales getan. «Aber es ist sicher unnötig gewesen, sie deswegen zu jagen. Die Polizei hätte die Sprayer davonrennen lassen und weiter vorne abfangen können.» Dass jemand für eine vergleichsweise geringe Straftat sterben musste, sei unverhältnismässig.
In dieselbe Kerbe schlagen Freunde aus der Graffitiszene im Internet, wo um die junge Frau getrauert wird. Die «Bullen» seien «Mörder», schiesst die Gruppe anarchistisch.ch gegen die Polizei. «Am Bahnhof Bümpliz wurden immer wieder Sprayer über dieses Geländer getrieben und teilweise schwer verletzt», so der Vorwurf.
Polizei forderte sie noch zum Stehenbleiben auf
Die Polizei untersucht den Vorfall, wehrt sich aber gegen die Vorwürfe. «Die Untersuchungen zu den Umständen, die zum Unfall geführt haben, laufen noch», sagt Patrick Jean, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern auf Anfrage.
Aber: Als in der Nacht auf Samstag die Meldung zu fünf Personen einging, die eine Zugkomposition versprayen würden, seien mehrere Patrouillen ausgerückt. Jean: «Diese haben sich gehend von verschiedenen Seiten angenähert. Das Ziel eines solchen Einsatzes ist, die Personen anzuhalten und eine Personenkontrolle durchzuführen. Eine übereilte Annäherung würde diesem Ziel nicht entgegenkommen.» Erst als die Sprayer die Flucht ergriffen hätten, seien ihnen die Einsatzkräfte gefolgt. Jean: «Die Flüchtenden wurden verbal dazu aufgefordert, selbständig anzuhalten.»
Nach dem Sturz kümmerten sich die Einsatzkärfte um die Verunfallte. Die Polizei konnte von der Sprayer-Gruppe zwei Männer und eine Frau anhalten. «Sie wurden zur Abklärung auf die Polizeiwache gebracht», sagt der Sprecher. Danach wurden sie wieder auf freien Fuss gesetzt. Laut Polizei gebe es Hinweise, dass die verstorbene Frau eine aktive Rolle bei den Sprayereien hatte.
*Name geändert