So erklärt Polizei-Direktor Käser die Thorberg-Affäre
Kein Sex, aber Probleme mit «Nähe und Distanz»

BLICK hat den Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser zu den Geschehnissen in der Justizvollzugsanstalt Thorberg befragt. Er will von einer «Liebesaffäre» zwischen einer Wärterin und einem Insassen nichts wissen. Es handle sich lediglich um eine «unprofessionelle Haltung der Nähe und Distanz». Die Mitarbeiterin wurde freigestellt.
Publiziert: 07.06.2017 um 22:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:03 Uhr
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Hans-Jürg Käser ist Polizei- und Militärdirektor des Kanton Berns.
Foto: KEYSTONE/Peter Klaunzer
Daniel Riedel

In der Strafanstalt Thorberg in Krauchthal BE soll eine Liebesaffäre aufgeflogen sein (BLICK berichtete) – und zwar zwischen einem wegen Vergewaltigung verurteilten Häftling und einer Wärterin. Die Angestellte wurde vom Dienst freigestellt. Jetzt nimmt der Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser dazu Stellung.

Herr Käser, seit wann haben Sie Kenntnis von einer Liebesaffäre zwischen einem Häftling und einer Bediensteten in der JVA Thorberg? Wie wurden Sie informiert?
Hans-Jürg Käser:
Die angebliche «Liebesaffäre» zwischen einer inhaftierten Person und einer Mitarbeiterin kann so nicht bestätigt werden. Am 15. Mai ist es zu einer vorläufigen Einstellung einer Mitarbeiterin (gemäss Personalgesetz Art. 15) gekommen, da der Anstellungsbehörde Hinweise zugetragen wurden, welche vermuten lassen, dass die professionelle Haltung der Nähe und Distanz zu einem Insassen nicht stets und vollumfänglich gewahrt wurde. Diese Hinweise werden nun personalrechtlich abgeklärt, wobei zum jetzigen Zeitpunkt eine Annäherung im sexuellen Sinn ausgeschlossen werden kann.

Was können Sie über die Angestelle sagen und welche Konsequenzen drohen der Frau?
In diesem Fall ist eine umfängliche, professionelle personalrechtliche Abklärung von grosser Wichtigkeit, da es sonst zur vorschnellen Vorverurteilung der betroffenen Person kommen könnte. Sobald diese vollumfänglich abgeschlossen sind, werden weitere Schritte eingeleitet. Wie das weitere Vorgehen im personalrechtlichen Sinne aussehen wird, hängt von den Ergebnissen der laufenden Abklärungen ab. Weitere Angaben zur betroffenen Person können deshalb momentan nicht gemacht werden.

Welcher Kontrollmechanismus hat aus Ihrer Sicht versagt?
Die Kontrollmechanismen der JVA Thorberg haben nicht versagt. Im Gegenteil, man ist der Situation professionell begegnet und hat die Mitarbeiterin vorläufig in ihrer Funktion gemäss Art. 15 des Personalgesetzes eingestellt, um den Inhalt vollumfänglich und professionell abklären zu können. Es ist weder zu einer strafbaren Handlung, einer Flucht bzw. einem Fluchtversuch noch zu einem anderen kriminellen Verhalten gekommen.

Ist diese Liaison ein Einzelfall oder haben Sie Kenntnis von weiteren Beziehungen zwischen Bediensteten und Insassen?
Es ist zu betonen, dass eine «Liaison» in diesem Sinne nicht bestätigt werden kann und auch keine Hinweise auf weitere Vorfälle vorliegen.

Seit wann sind in der Justizvollzugsanstalt auch weibliche Bedienstete mit der Betreuung von männlichen Häftlingen betraut? Welche Aufgabenbereiche umfassen die Tätigkeiten der weiblichen Kräfte?
Bei der Auswahl des Strafvollzugspersonals wird die Qualität nicht anhand des Geschlechts, sondern der Fähigkeiten der Person bemessen. Die weiblichen Angestellten nehmen in diesem Sinne die gleichen Aufgaben wahr (bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel bei der Personenkontrolle) wie ihre männlichen Berufskollegen. Und das ist auch gut so, denn im modernen Justizvollzug arbeiten wir nach dem sogenannten Normalisierungsprinzip, welches besagt, dass der Strafvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich zu entsprechen hat. Gerade in diesem Zusammenhang ist es eminent wichtig, dass die Insassen im Strafvollzug mit weiblichen Mitarbeitenden konfrontiert werden.

Thorberg soll reorganisiert werden

BLICK wollte von Käser noch mehr wissen. Beispielsweise, wie er die neuerlichen Skandale um die Justizvollzugsanstalt Thorberg bewertet. Oder wie die Stimmung unter den Angestellten sei. Ebenso wollte BLICK wissen, wie Käser die Arbeit von Direktor Thomas Egger einschätzt. Dazu wollte dieser keine Stellung nehmen. Lediglich: 

«Zu diesen Fragen bezieht das AJV keine Stellung. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass die JVA Thorberg von der Polizei- und Militärdirektion und vom Amt für Justizvollzug (AJV) beauftragt wurde, eine Betriebsanalyse und Reorganisation durchzuführen. Dieser Auftrag wird mit dem Projekt BRAT (Betriebsanalyse und Reorganisation der Anstalten Thorberg) umgesetzt und dauert noch bis zum 10. Juli 2017 an. Nach dem besagten Datum beziehungsweise Abschluss des Projekts sind wird gerne bereit, proaktiv über die Hintergründe, Herausforderungen und Chancen der neuen Organisation in der JVA Thorberg zu informieren.»

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