Ein eihemaliger Mitarbeiter des Amts für Migration und Personenstand des Kantons Bern hat im Dienst über 430'000 Franken abgezweigt. Das Geld liess der vereinsamte Mann nordafrikanischen Internetbekanntschaften zukommen. Nun ist er vom Gericht zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Der heute 52-Jährige wurde am Freitag vom Regionalgericht Bern-Mittelland in einem abgekürzten Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 35 Monaten verurteilt. Sieben Monate muss der Mann absitzen, die restlichen 28 Monate sprach das Gericht bedingt aus mit einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu kommt noch eine Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 30 Franken.
Veruntreuung, Urkundenfälschung, Geldwäscherei
Schuldig gemacht hatte sich der heute 52-Jährige der mehrfachen Veruntreuung als öffentlich rechtlicher Angestellter, der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt und der gewerbsmässigen Geldwäscherei, letzteres wegen seiner Geldüberweisungen in den nordafrikanischen Raum.
Der Fall entbehre nicht einer gewissen menschlichen Tragik, betonte der Gerichtspräsident bei der Bekanntgabe des Urteils. Der heute 52-Jährige sei völlig vereinsamt und perspektivlos.
«Gute Seele» im Amt
Der Angeschuldigte arbeitete seit Anfang der 1990er Jahre beim Amt und war dort «eine gute Seele», wie der Gerichtspräsident es formulierte. Privat hingegen war der Mann komplett einsam und sehnte sich nach Zuneigung und Liebe.
Seine unerfüllten Bedürfnisse versuchte er mit homosexuellen Männerbekanntschaften im Internet zu stillen. Der Mann lernte vorwiegend Nordafrikaner kennen und überwies ihnen Geld, um sie in ihrer Heimat zu unterstützen.
2014 begann der Mann, an seiner Arbeitsstelle Geld abzuzweigen. Mit falschen Angaben und falschen Unterschriften kam er in fast 250 Fällen zu Geld. Wo Belege visiert werden mussten, setzte er die zur Visierung berechtigten Arbeitskollegen zeitlich unter Druck oder deckte sie mit grossen Mengen an Belegen ein. So konnte er ein genaueres Hinschauen verhindern.
Dazu kam, dass man ihm als langjährigem Mitarbeiter einfach vertraute. Dieses Vertrauen habe der Mann missbraucht, kam der Staatsanwalt zum Schluss.
«Es wurde ihm leicht gemacht»
Der Angeschuldigte habe durchaus dreist gehandelt und eine Vielzahl von Delikten begangen mit hoher Deliktsumme. Doch selbst der Staatsanwalt räumte ein: «Es wurde ihm aber auch leicht gemacht».
Man könne nur ungläubig staunen und sich fragen wie die Vorgesetzten denn ihrer Kontrollpflicht nachgekommen seien, betonte der Verteidiger.
So war der Angeschuldigte beispielsweise für eine Kasse verantwortlich, deren Umsatz im Jahr 2013 noch bei rund 5700 Franken lag. Dann stiegen die Umsätze zuerst auf knapp 16'000 Franken, dann auf 82'000 Franken und schliesslich im Jahr 2016 auf über 341'000 Franken.
Eine nicht erklärbare Umsatzexplosion von sage und schreibe 5880 Prozent: «Dass das niemand merkte, da kann man nur den Kopf schütteln», befand auch der Gerichtspräsident.
Er sei damals wie in einem Rausch gewesen, berichtete der ehemalige Amtsangestellte. Irgendwann beschäftigte sich der Mann auch während der Arbeitszeit fast nur noch mit seinen Bekanntschaften, die Arbeit blieb liegen. Dennoch erhielt er von seinem Arbeitgeber eine Leistungsprämie von 500 Franken ausbezahlt.
Entschuldigung
Vor Gericht machte der voll geständige Angeklagte heute Freitag einen sehr geknickten Eindruck. Er würde gerne wieder arbeiten, denn «Arbeit bedeutet für mich Gesundheit». Dass er eine Stelle finde, sei aber praktisch aussichtslos. Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber und den ehemaligen Arbeitskollegen entschuldigte sich der Mann.
Er habe niemanden, kein Umfeld, keine Tagesstruktur, berichtete der Mann vor Gericht. Manchmal gehe er spazieren oder in die Bibliothek, ansonsten sei er viel zu Hause. Eine Weile habe er Flüchtlingen Deutsch unterrichten können, doch der Kurs sei nicht weitergeführt worden.
Nun muss der Mann sieben Monate in den Strafvollzug. Dort wird er einen geregelte Tagesablauf haben. Wie es danach weitergehe, wisse er aber noch nicht.
Der Gerichtspräsident redete dem 52-Jährigen zum Schluss wohlwollend ist Gewissen. Der Verurteilte brauche vor allem ein gutes soziales Umfeld und eine Beschäftigung. «Öffnen Sie sich und nehmen Sie Hilfe an», ermunterte er ihn. (SDA)