Pensionierter Kaminfeger tötete Ehefrau und sich selbst
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Senioren-Drama in Riggisberg:Pensionierter Kaminfeger tötete Ehefrau und sich selbst

Senioren-Drama in Riggisberg BE
Pensionierter Kaminfeger tötete Ehefrau und sich selbst

Ein älteres Ehepaar in Riggisberg BE wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Josef H. (†86) hatte seine Frau Marie H. (†84) getötet und sich dann selber gerichtet. Nahe Bekannte fragen sich: War der Ehemann mit der Pflege seiner kranken Frau überfordert?
Publiziert: 11.11.2020 um 07:14 Uhr
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Josef H. (†86) und Marie H. (†84): Er tötete seine Frau – und danach sich selbst.
Céline Trachsel

Es ist Mittwochmorgen, als eine Nachbarin im Halbschlaf einen «Chlapf» hörte. Es ist ein unscheinbarer Wohnblock in Riggisberg BE. Der Knall kommt aus der Wohnung von Josef H. (†86) und Marie H.* (†84), wie die Nachbarin BLICK erzählt: «Ich konnte es nicht als Schuss identifizieren, für mich klang es nach einer kleineren Explosion.»

Das Tötungsdelikt – der ältere Mann hatte seine Ehefrau umgebracht und sich anschliessend selber gerichtet – wird kurz darauf entdeckt. BLICK-Recherchen zeigen: Der Knall war um 6.50 Uhr zu hören. Doch offenbar alarmierte niemand die Polizei. Kurz nach 7 Uhr betrat die Spitex-Angestellte wie jeden Morgen mit einem eigenen Schlüssel die Wohnung des betagten Paars – und entdeckte die Verstorbenen.

Laut Kantonspolizei hatte «eine vorsätzliche Handlung des Mannes» zum Tod der beiden Personen geführt. Ob eine Schusswaffe im Spiel war, wollte Mediensprecherin Lena Zurbuchen «aus Rücksicht auf die Angehörigen» nicht kommentieren.

«Er hat täglich für seine Frau gekocht»

Sicher ist: Marie H. war schon viele Jahre lang krank, sie hatte Probleme mit dem Rücken und verliess kaum die Wohnung. «Josef hat sie gepflegt und den ganzen Haushalt gemacht», weiss die Nachbarin. Zudem sei täglich die Spitex gekommen. «Er hat auch täglich für seine Frau und sich gekocht.»

Zueinander seien sie stets liebevoll gewesen. Die mehrheitlich älteren Bewohner des Wohnblocks kannten sich alle gut, sie wissen voneinander, wie es ihnen geht, und feierten manchmal gemeinsame Feste.

Nachbarin: «Ich mache mir Vorwürfe»

Die Nachbarin meint: «Wir stehen alle unter Schock. Was mich beschäftigt, ist, dass niemand gemerkt hat, wie es in ihm drin aussah.» Sie fragt sich: «War er vielleicht mit der Pflege seiner Frau überfordert? Wenn das so war, dann mache ich mir Vorwürfe, dass wir nicht besser zu den beiden geschaut haben.»

Eine andere Bekannte sagt: «Er war eigentlich sehr aufgestellt, war oft mit dem Rollator draussen anzutreffen. Ich habe gern mit Josef geschwatzt, wenn ich ihn antraf. Hin und wieder bis zu einer halben Stunde – man kam manchmal fast nicht mehr los. Aber das ist ja auch schön.»

Dass es der Ehefrau gesundheitlich nicht gut ging, sei bekannt gewesen. «Vielleicht wurde dem Ehepaar ja nahegelegt, ins Heim zu ziehen. Ich glaube an eine Kurzschlussreaktion.»

Josef H. war Kaminfeger

Ein Freund aus dem Dorf erzählt, dass Josef H. früher in der Region Kaminfeger war. «Er war zwar kein einheimischer Riggisberger, sondern zog aus Zimmerwald hierher. Aber wir haben trotzdem geplaudert, wenn er im Dorf eine Runde drehte.»

Josef H. sei ein netter Kerl gewesen, die Frau habe er dagegen nur einmal gesehen. Der Freund meint: «Vielleicht hat das Paar das so für sich gewählt. Damit später keiner von ihnen allein zurückbleiben muss. Das wäre zu hoffen.»

* Namen geändert

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