Ganzkörper-Schutzanzüge. Luftfiltrierenden Hauben mit Gesichtsvisieren. In dieser Kleidung wird in einem Berner Labor an Corona-Viren geforscht. Genauer, im Zentrum für Translationale Medizin und Unternehmertum in Bern, im Biosicherheitslabor der Stufe 3. Erreichbar ist dieses nur durch eine Schleuse mit zwei Türen.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Covid-19» (NFP78) versuchen hier die Forschenden um die Biomedizinerin und Studienleiterin Yvonne Döring von der Universität und des Inselspitals Bern, zellspezifische Reaktionen auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu entschlüsseln.
Langzeitfolgen nach wie vor ungeklärt
«Schwere Covid-19-Verläufe können Schäden in der Lunge anrichten», sagte Döring während eines Laborbesuchs gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Gleichzeitig wissen wir auch, dass die Krankheit auch andere Organe im Mitleidenschaft zieht.»
Welche Zellen aber tatsächlich mit Sars-CoV-2 infiziert werden könnten und wie sich dies auf die Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion auswirke, werde noch nicht ausreichend gut verstanden. Deshalb nehmen die Forschenden in ihrem Projekt die Zellen der Blutgefässwand, der Blut-Hirn-Schranke und Herzmuskeln genauer unter die Lupe.
Zwei Paar Handschuhe nötig
Die Forschenden Chiara Stüdle und Melle Holwerda stehen in Schutzmontur im kleinen, verglasten Labor. Aus einem auf minus achtzig Grad kalten Tiefkühler entnehmen sie das infektiöse Virenmaterial. Hochkonzentriert setzt sich Holwerda vor die Sicherheitswerkbank, schlüpft in ein zweites Paar Handschuhe und pipettiert die Erreger in eine Kulturschale mit menschlichen Zellen.
Anschliessend stellt er die Proben in einen Brutkasten, wo nun der Kampf zwischen Zelle und Virus beginnt. Nach neunzig Minuten werden die Forschenden das Nährmedium der Zellkultur absaugen – zurückbleiben sollen die Zellen und diejenigen Erreger, die an den Zellen andocken konnten.
Nächster Schritt: Tierversuche
In den kommenden Tagen werden sie die Zellkultur immer wieder unter dem Lichtmikroskop beobachten. Sie untersuchen, ob das Virus die Zellen gekapert hat und welche entzündliche Immunantwort dies auslöst. Weil die Viren so winzig sind, dass sie nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbar sind, färben die Wissenschaftler sie mit einem fluoreszierenden Farbstoff ein.
Komplexere Vorgänge und Langzeitfolgen von Sars-CoV-2 auf das Gefässsystem sollen später in Tierversuchen mit Mäusen und Zebrafischen in einem anderen Labor erforscht werden.
«Wie eine Zwiebel umhüllt»
Die Schutzausrüstung bewahrt die im Biosicherheitslabor tätigen Forschenden vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Aber wie wird dafür gesorgt, dass das Virus nicht aus dem Labor entwischt? «Das Biosicherheitslabor ist wie eine Zwiebel von vielen Schalen umhüllt», sagte die Leiterin des Biosicherheitszentrums des Instituts für Infektionskrankheiten der Uni Bern, Kathrin Summermatter. Mit Sicherheitslabors kennt sie sich aus: Sie hat ein Mandat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und inspizierte bereits während drei Missionen Labors in den USA und Russland, wo mit hochansteckenden Pockenviren gearbeitet wird.
Das Berner Labor ist mit Kameras und einem Alarmsystem ausgestattet. Die Abluft aus dem Labor, wo Unterdruck herrscht, wird gefiltert. Wenn die Forschenden das Labor verlassen, desinfizieren sie ihre Schutzanzüge und schlüpfen zurück in ihre Freizeitkleider. Ausserdem werden alle Abfallprodukte dekontaminiert. So soll wirklich kein Virus den Weg in die Stadt Bern finden. Tatsächlich sei ein solcher Vorfall höchst, höchst unwahrscheinlich, sagte Summermatter.
2 Mio Franken für 2 Jahre
Das vom Schweizerischen Nationalfonds mit zwei Millionen Franken unterstützte Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Ende Jahr erwarten die Forschenden erste Resultate aus den Zellversuchen.
Bis die Ergebnisse allerdings in klinische Studien einfliessen könnten, vergehe noch viel Zeit, so Döring. «Wir betreiben Grundlagenforschung, die aber hoffentlich in weitere Corona-Projekte einfliessen wird, um schliesslich etwa Blutgefässverschlüsse oder neurologische Symptome gezielt zu bekämpfen.» (SDA)