Schicksalsschlag für Familie Yildiz
«Warum wir?»

Der kleine Güney aus Langenthal BE kam schwer behindert zur Welt. Seine Eltern machen dem Spital Vorwürfe und haben eine Strafanzeige eingereicht.
Publiziert: 14.04.2013 um 18:35 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:26 Uhr
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Das Leben der Familie Yildiz hat sich komplett verändert.
Foto: Philipp Zinniker
Von Marlene Kovacs

Selma Yildiz (36) und ihr Mann Ahmet (38) aus Langenthal BE sind am Ende ihrer Kräfte. «Warum wir?», fragt die Mutter verzweifelt.

Ihr Sohn Güney kam am 5. September 2011 schwerbehindert zur Welt.

Das Baby kann nichts, was andere Kinder im gleichen Alter schon gelernt haben. Es sitzt nicht, krabbelt nicht, kann seine Spielsachen nicht festhalten.

Die Eltern sind verzweifelt. Sie machen dem Spital Langenthal Vorwürfe. «Weil man sich dort nicht kompetent um mich gekümmert hat, ist mein Bub jetzt ein Pflegefall», sagt Hausfrau Selma Yildiz.

Mutter Selma: «Ich wusste, dass etwas nicht stimmte»

Sie streichelt dem Kleinen über den Kopf. «Zwei Monate vor dem Geburtstermin gab es Komplikationen, ich hatte Wehen», erzählt die Mutter, die schon einen Buben (13) und ein Mädchen (9) hat. Um acht Uhr morgens wird im Spital Langenthal die Geburt eingeleitet. «Schon nach einer Stunde wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich fühlte mich schlecht, sagte das auch der Hebamme. Die antwortete nur, dass ich nervös sei», sagt die Mutter.

Der Zustand der gebürtigen Türkin wird immer schlechter. «Als es auch noch Aussetzer beim Herzschlag unseres Kindes gab, wollten wir, dass ein Arzt kommt», erklärt Ehemann Ahmet. «Doch der kam erst Stunden später.»

Der Metallarbeiter hat Angst um seine Frau und seinen Sohn: «Wir haben schon zwei Geburten miterlebt. Wir wussten genau, dass etwas nicht stimmt.»

«Ich verlor das Bewusstsein»

Die Geburt dauert an. «Am Abend wurde ich auf ein normales Zimmer verlegt», sagt Selma Yildiz. «Ich konnte kaum auf eine andere Etage gehen. Mir war schlecht, schliesslich verlor ich das Bewusstsein.»

Ihr Mann ist die ganze Zeit bei ihr. «Es war schrecklich. Meine Frau erbrach nur noch. Erst als sie zusammenbrach, tauchte der Oberarzt auf», sagt Yildiz.

Güney kann nur noch per Kaiserschnitt auf die Welt kommen. Die Nabelschnur liegt um den Hals des Kindes, schneidet ihm die Luft ab. «Bei der Geburt war mein Sohn tot! Er musste reanimiert werden. Zum Glück überlebte er», so Yildiz. Doch das Hirn ist schwer geschädigt.

Auch der Zustand seiner Frau verschlechtert sich weiter. «Sie blutete sehr stark. Der Arzt wollte, dass ich ihre Eltern hole, damit sie sich verabschieden können. Er dachte, meine Frau stirbt.» Schliesslich werden Mutter und Kind nach Bern ins Inselspital verlegt, laut Ahmet Yildiz auf seinen Druck hin. «In Langenthal wäre sie vermutlich verblutet.»

Die Mutter erholt sich – das Baby nicht. «Güney leidet unter Epilepsie, hat motorische Störungen und ist geistig stark unterentwickelt», so Yildiz. Acht Medikamente erhält Güney, jeden Tag. «Unser Leben hat sich seit diesem schreckli­chen Erlebnis komplett verändert», sagt Selma Yildiz.

Strafanzeige gegen Spital, Arzt und Hebamme

Die Familie ist verzweifelt. «Ich habe eine Strafanzeige gegen das Spital, den Arzt und die Hebamme gemacht», so Yildiz. «Wir wünschen uns einfach nur Gerechtigkeit. Wir möchten, dass die Verantwortlichen bestraft werden.»

Die Familie hat ein Gutachten erstellen lassen. Es kommt zum Schluss: «In der vorgeburtlichen Betreuung hätten verschiedene Entscheidungen anders getroffen werden können, was möglicherweise das Ausmass der Unterversorgung deutlich verringert oder diese gar verhindert hätte.»

Auch in der nachgeburtlichen Betreuung hätten «mehrere Entscheidungen anders getroffen, Abläufe beschleunigt und optimiert werden können». Das Gutachten geht jedoch nicht von ärztlichen Kunstfehlern aus. Ein weiteres Gutachten ist in Arbeit.

«Die geburtshilfliche Abteilung des Spitals Langenthal ist ärztlich gut bestückt. Die Standards für eine notfallmässige Entbindung werden eingehalten», hält Thomas Nuspel, Direktionsmitglied der SRO AG Spital Langenthal, fest.

Zum Fall der Familie Yildiz will er nicht Stellung nehmen. «Jede schwere Komplikation stellt unabhängig von einer Verschuldensfrage eine schwere Belastung für die betroffenen Familien, aber auch die involvierten Spitalangestellten dar», erklärt Nuspel.

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