Gekleidet wie ein Cowboy betrat der Tatverdächtige gestern früh den Gerichtssaal in Thun BE. Robert S.* (57) trägt die grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die Absätze seiner Westernstiefel klappern auf dem Plattenboden. Hand- und Fussfesseln trägt der Ex-Unternehmer nicht, dafür eine Schutzmaske.
Als er sie abnimmt, wirkt er deutlich gealtert. Gleich zu Beginn der Befragung stellt der Angeklagte klar: «Wenn man 960 Tage unschuldig in U-Haft sitzt und man den Grossteil des Tages eingesperrt ist, geht es einem nicht gut.»
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Berner, im Februar 2018 seine damalige Freundin Daniela S.* (†41) in Frutigen BE umgebracht zu haben. Der mutmassliche Killer habe dann das alte Haus in Brand gesteckt, um seine Spuren zu verwischen.
Robert S. beteuert seine Unschuld
Robert S. streitet alles ab: «Ich hätte Daniela nie etwas angetan! Ich habe noch nie in meinem Leben ein Problem mit Gewalt gelöst.» Fast fleht er: «Auch ich möchte endlich wissen, was damals passiert ist.»
Beim Prozess sind auch Freunde anwesend. Sie sind überzeugt: «Robi ist unschuldig!» Sie hegen sogar eigene Theorien. «Er war ein Frauenheld. Nebst Daniela beglückte Robi in der Region noch fünf andere», sagt ein Kumpel zu BLICK und mutmasst: «Auch diese Frauen hätten ein Motiv gehabt, Daniela zu töten.»
Um die Unschuld von Robert S. zu beweisen, greift sein Verteidiger vor Gericht tief in die juristische Trickkiste. Den ganzen Morgen, der eigentlich für die Befragung geplant war, füllt er mit Anträgen. Er macht Fehler im Verfahren geltend. Spricht von Suizid, verweist auf Privatgutachten und bringt sogar einen neuen Verdächtigen ins Spiel – den Vermieter von Daniela S. Dieser habe nur rund zwei Monate vor dem Brand die Versicherungssumme des Hauses erhöht. Zudem habe er ein falsches Alibi geltend gemacht. Das Gericht lässt den Anwalt aber abblitzen.
Die Opferfamilie schüttelt bei diesen Theorien nur den Kopf. Die Mutter der Toten weint, als sie den Zeugenstand betritt. Für sie war die Liaison ihrer Tochter nie einfach: «Mein Mann und Robert waren früher Arbeitskollegen. Da habe ich Sachen erfahren, die mir gar nicht gefielen.»
Eine Tote – keine Beweise
Kurz vor dem Brand hätten sich Mutter und Tochter noch getroffen. Da habe Daniela erzählt, dass sie sich getrennt hätte: «Sie wirkte gelöst und glücklich!» Auf die Frage des Gerichts, ob die Mutter dem Fast-Schwiegersohn die Tat zutraue, sagte sie: «Erst nicht, mittlerweile schon.»
In den nächsten Tagen folgen Plädoyers und Aussagen von diversen Sachverständigen. Ein Urteil wird dann wohl zur Herausforderung: Eine Tatwaffe gibt es nicht, genauso wenig wie ein Geständnis.
* Namen bekannt