Vor einigen Jahren schloss sie mit zwei Kollegen eine Wette ab: Was auch immer geschehe, man werde nie ein Mobiltelefon anschaffen. Wer trotzdem ein Handy kaufe, bezahle eine Pizza. Regula Hirschi (40) hat schon zwei Pizzen gewonnen, ein Handy hat sie noch immer nicht. Sie ist eine der Letzten ihrer Art, in ihrem Bekanntenkreis gar die Letzte.
Das Leben ohne Mobiltelefon gefällt ihr. Sie verzichtet bewusst darauf. «Ich will erst gar nicht in Versuchung geraten, immer auf ein Mobiltelefon schauen zu müssen», sagt sie. Wie gross die Versuchung ist, zeigen Zahlen aus einer Umfrage der Beratungsfirma Deloitte in der Schweiz, die SonntagsBlick vor einem Monat veröffentlichte: Jeder Zweite gibt an, handykrank zu sein und zu viel Zeit am Mobiltelefon zu verbringen. 23 Prozent haben konstant das Gefühl, sie müssten prüfen, ob Neuigkeiten auf dem Mobiltelefon eingetroffen sind.
Wer mit Hirschi abmacht, muss Ort und Zeit einhalten
Hirschi kann das nicht passieren. Wer mit der zweifachen Mutter abmacht, muss Zeit und Ort einhalten. Früher war es grundsätzlich so: Man konnte nicht einfach kurz anrufen und sagen, dass man etwas später kommt oder lieber woanders hingeht. Einmal verabredet, liess sich kurzfristig nichts mehr ändern.
Für Hirschi gilt dies noch immer. «Meine Freunde haben sich daran gewöhnt, dass ich kein Mobiltelefon habe», sagt sie. Das trifft auch auf ihre Arbeitgeber zu. Sie ist zu rund 30 Prozent in einer Bäckerei tätig und trägt in ihrer Wohngemeinde Schüpfen BE adressierte Werbung aus. Wenn sie unterwegs ist, hat sie immer eine Liste mit Telefonnummern dabei und eine Telefonkarte. Für die jedoch gibt es immer weniger Anwendung. Die nächste Telefonkabine ist acht Kilometer von ihrem Zuhause in Münchenbuchsee BE entfernt. Allerdings steht dort am Bahnhof nur noch eine Kabine ohne Telefon. Waren vor 20 Jahren noch fast 60'000 Publifone in Betrieb, sind es inzwischen nicht einmal mehr 5000.
Neu hat sie sich ein Tablet gekauft
Damit wird Hirschi zunehmend zur Exotin. «Wenn ich neue Leute kennenlerne, ist das schon ein Thema.» Einen Kompromiss aber macht sie seit kurzem. «Im Juni konnte ich plötzlich nicht mehr mit dem Festnetztelefon von zu Hause SMS schreiben, die Swisscom hat die Funktion abgestellt.» Deswegen habe sie sich ein Tablet gekauft. «Das bleibt aber immer zu Hause.»
Sie vermisse das Mobiltelefon überhaupt nicht – nicht einmal dann, wenn sie auf einen Bus oder einen Zug warten muss: «Dann geniesse ich es, nichts zu tun, beobachte, was um mich herum passiert.» Die Leute hätten verlernt, bei sich zu bleiben, ihren Gedanken nachzuhängen und auch mal leere Zeit zu geniessen.
Zu ihrem 40. Geburtstag wünschte sie sich «Briefe anstatt irgendwelche Mobiltelefon-Nachrichten». Das schrieb sie 50 Freunden und erhielt 48 briefliche Glückwünsche. Hirschi bewahrt sie in einer Box auf und sagt: «Die werde ich wohl noch im Altersheim bei mir haben und ab und zu anschauen.»