«Man hat bei dem Mann eine Schusswaffe sichergestellt»
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Polizei erschiesst Schweizer:«Man hat bei dem Mann eine Schusswaffe sichergestellt»

Polizei erschiesst René F. (†36) bei Einsatz in Bern
«Er lief mit einer schusssicheren Weste herum»

René F. (†36) entweicht aus der Psychiatrie, geht zu seinem Elternhaus. Als die Polizei ihn holen will, trägt er eine Waffe bei sich. Es kommt zur Eskalation – der Mann wird erschossen.
Publiziert: 18.07.2019 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2019 um 13:18 Uhr
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René F. (†36) fiel in der Nachbarschaft durch sein seltsames Verhalten auf.
Foto: Zvg

Am Mittwoch gegen 16.45 Uhr geht bei der Berner Polizei der Notruf ein, dass der 36-jährige Schweizer René F.* aus einer psychiatrischen Institution in Bern geflüchtet sei. Die Suche nach dem Mann endet rund eine Stunde später in dramatischen Szenen. René F. ist in seinem Elternhaus am Kuhnweg in Bern. Die Einsatzkräfte wollen den polizeilich bekannten Mann abholen, können ihn auch ansprechen – doch dann eskaliert die Lage.

Es sei zu einer «akut bedrohlichen Situation» für die Polizisten gekommen, schreibt die Kantonspolizei Bern. Der Mann soll eine Schusswaffe getragen haben. Die Einsatzkräfte hätten deshalb ihre Dienstwaffen ziehen und auf den Mann schiessen müssen. René F. wird tödlich verletzt, stirbt später im Spital. Woher der Mann die Waffe hatte, ist unklar. Gegenüber Tele Bärn sagt die Polizei, beim Verlassen der Psychiatrie habe F. keine Waffe bei sich getragen.

Sohn des dort wohnhaften Ehepaars

Zu «20min.ch» sagt der Vater: «Es war mein Sohn, der erschossen wurde.» René F. lebte nicht mehr bei den Eltern, sondern seit Jahren ein paar Autominuten entfernt. Auf seinem Briefkasten ist ein Kleber eines Waffenhändlers zu sehen. Woher René F. die Waffe hatte, ist unklar.

René F. fiel immer wieder durch seltsames Verhalten auf. Silvia T.* (40) aus der Nachbarschaft: «Er ging ab und zu barfuss und mit einem langen, schwarzen Mantel im Pärkli vis-a-vis herumspazieren. Ein anderes Mal lief er mit einer schusssicheren Weste umher – darunter hatte er einen nackten Oberkörper. Die Polizei war schon oft hier.»

Erst letzten Samstag soll auch ein Kastenwagen der Polizei vor dem Haus gestanden haben, berichtet ein anderer Nachbar. Und eine weitere Anwohnerin, Stefanie B.* (30), sagt: «Er war ein anständiger und netter Typ, aber dennoch skurril. Ich bin schockiert, dass er jetzt tot ist.»

Ausserkantonales Polizeikorps untersucht Einsatz

Paula S.** (56) wohnt in der Nähe des Elternhauses. Sie sagt zu BLICK: «Ich habe gestern Abend um 20.30 Uhr gesehen, wie die Polizei am Ende der Strasse stand. Ausser einer Sirene habe ich nichts gehört.» Die Familie sei sehr nett und freundlich. «Das, was jetzt mit ihrem Sohn passiert ist, ist traurig. Ich bin schockiert. Ich spreche den Eltern mein Beileid aus. Das ist eine grosse Tragödie für die Familie.» 

Genaue Details zum Vorfall will die Kapo Bern nicht machen. Nicht darüber, warum geschossen wurde. Nicht darüber, wie viele Schüsse abgefeuert wurden. Nicht darüber, wie viele Polizisten geschossen haben. Nicht darüber, was mit den beteiligten Polizisten nun geschieht. Der Vorfall werde von einem ausserkantonalen Polizeikorps untersucht und dieser Untersuchung wolle man nicht vorgreifen, sagt ein Sprecher zu BLICK.

Dafür gibt er darüber Auskunft, wie selten so ein Vorfall vorkommt: Sehr selten. Der Sprecher kann sich an keinen Fall in den letzten 7 Jahren erinnern, bei dem ein Berner Polizist jemanden im Einsatz erschiessen musste. Überhaupt sei es sehr selten, dass Schusswaffen gezogen werden müssten. Abgefeuert würden sie zwischen 0 und 4 Mal pro Jahr im Einsatz (siehe Box).

«Für alle sehr belastend»

Die Polizisten würden aufgefordert, immer das in der Situation angepasste mildeste Mittel zu gebrauchen. Sie seien aber dazu befähigt, selber zu entscheiden, wann sie von der Schusswaffe Gebrauch machen sollen. «Die Situation ist für alle sehr belastend», sagt Polizeisprecher Christoph Gnägi. Die Betreuung sei gewährleistet – für die Beamten und die Angehörigen.

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen. Mit den polizeilichen Abklärungen wurde die Kantonspolizei Zürich beauftragt. Diese wollte auf Anfrage von BLICK keine weiteren Auskünfte geben.

(kes/nbb/vof/nl)

*Name geändert

**Namen bekannt

Polizei schiesst selten – und nutzt öfter Taser

Insgesamt zwölf Mal waren Schweizer Polizisten im vergangenen Jahr gezwungen, mit ihrer Dienstwaffe zu schiessen. Damit bleibt die Zahl wie schon 2017 unter dem langjährigen Durchschnitt.

Die meisten Schüsse wurden von den Einsatzkräften auf Fahrzeuge oder gegen den Boden abgefeuert. 2018 wurde laut der Statistik der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) niemand durch eine Polizei-Patrone verletzt. Der Einsatz der Schusswaffe stelle «das intensivste polizeiliche Eingriffsmittel dar und ist nur als Ultima Ratio zulässig, wenn andere Massnahmen ausgeschöpft oder ungeeignet sind».

Stark angestiegen ist hingegen der Einsatz von Tasern. 125 Mal mussten Beamte die Waffe ziehen. «Allerdings reichte es in der Mehrheit der Fälle aus, den Einsatz der Elektroimpulspistole anzudrohen, um die Lage zu stabilisieren», heisst es auf der Homepage der KKPKS dazu. In 45 Fällen wurde der Taser tatsächlich auch angewendet. (cat)

Insgesamt zwölf Mal waren Schweizer Polizisten im vergangenen Jahr gezwungen, mit ihrer Dienstwaffe zu schiessen. Damit bleibt die Zahl wie schon 2017 unter dem langjährigen Durchschnitt.

Die meisten Schüsse wurden von den Einsatzkräften auf Fahrzeuge oder gegen den Boden abgefeuert. 2018 wurde laut der Statistik der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) niemand durch eine Polizei-Patrone verletzt. Der Einsatz der Schusswaffe stelle «das intensivste polizeiliche Eingriffsmittel dar und ist nur als Ultima Ratio zulässig, wenn andere Massnahmen ausgeschöpft oder ungeeignet sind».

Stark angestiegen ist hingegen der Einsatz von Tasern. 125 Mal mussten Beamte die Waffe ziehen. «Allerdings reichte es in der Mehrheit der Fälle aus, den Einsatz der Elektroimpulspistole anzudrohen, um die Lage zu stabilisieren», heisst es auf der Homepage der KKPKS dazu. In 45 Fällen wurde der Taser tatsächlich auch angewendet. (cat)

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