Das Bienzgut ist die Oase von Bümpliz. Auf dem Areal des Begegnungszentrums trifft sich die Bevölkerung des Berner Quartiers. Als die Polizisten den Einsatzort erreichten, steuerten sie eine Matte mit Geissen und Obstbäumen an. Ausgerechnet hier, zwischen Bauernhaus, Hofstatt und Dorfkirche, war es zu einer Tragödie gekommen.
SonntagsBlick liegt ein rechtskräftiger Strafbefehl vor, der den Grund für die Intervention liefert: der Zustand der Zwergziegen. Wie der Veterinärdienst berichtet, sei es manchen sehr schlecht gegangen. Hörner und Klauen waren zu lange nicht geschnitten worden. Die Hornspitzen bohrten sich so tief in die Haut der Tiere, dass sie sich nur eingeschränkt bewegen konnten. Eine Ziege litt unter Klauenfäule und ging auf der Lederhaut, was in dem Bericht als «extrem schmerzhaft» beschrieben wird. Sie wurde eingeschläfert.
Rentner erhielt einst Ehrenmedaille
Zuständig für die Tiere ist H. S.* – was die Tragödie noch verschlimmert. Der 86-Jährige hatte sich jahrzehntelang ehrenamtlich um Schafe, Ziegen und Obstbäume gekümmert. Dank seiner Pflege hatten Generationen von Kindern erstmals Zugang zu Tieren. S. wurde für sein Engagement mit einer Medaille geehrt: Alexander Tschäppät, der damalige Stadtpräsident, überreichte sie ihm persönlich. Auch die Zeitungen waren voll des Lobes.
Nun aber wurde der Senior von der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland wegen Tierquälerei und Widerhandlungen gegen die Tierhaltungsvorschriften zu einer Strafe von rund 3000 Franken verurteilt.
Wie konnte es so weit kommen?
Das Areal gehört einer privaten Stiftung. Im Frühling sei man durch Quartierbewohner auf die Probleme aufmerksam gemacht worden, rechtfertigt sich Geschäftsführerin Jaelle Eidam, und habe daraufhin Kontakt mit S. aufgenommen. Ihm sei nahegelegt worden, über einen Rücktritt nachzudenken. Auch einen Profi vom Tierpark Dählhölzli habe man konsultiert. Die Stiftung habe ihre Sorgfaltspflicht als Verpächterin im Rahmen der Möglichkeiten und darüber hinaus wahrgenommen.
Weshalb war dennoch ein Polizeieinsatz nötg?
«Die Stiftung bedauert es sehr, dass sie von den zuständigen Behörden nicht in das Verfahren einbezogen wurde und dass es zu dieser Eskalation gekommen ist», sagt Eidam. Man sei von der Entwicklung überrascht worden und hätte gerne Hand geboten, um diesen Einsatz zu verhindern.
«Undank ist der Welt Lohn»
S. selbst sieht sich von extremen Tierschützerinnen zum Sündenbock gemacht. Leute aus dem Quartier hätten ihm die Weide mitsamt den Tieren wegnehmen wollen. Er sei keineswegs überfordert gewesen. «Aber wenn jemand nach etwas sucht, findet er auch was», sagte er auf Anfrage. Jahrzehntelang habe er die Aufgabe zur Zufriedenheit aller wahrgenommen. Aber: «Undank ist der Welt Lohn.»
S. will mit der Sache nichts mehr zu tun haben. «Ich habe mit dem Kapitel abgeschlossen», betont er. «Die Geissen habe ich übergeben.» Die Schafe auf einer anderen Wiese in der Nachbarschaft seien zu einem Viehhändler gekommen. Jüngere Freiwillige kümmern sich mittlerweile um die Zwergziegen auf dem Areal. Sie wollen nachhaltige Tierhaltung mit Naturpädagogik verbinden.
* Name der Redaktion bekannt