Pfarrer Tillmann Luther (55) trainiert seit einem halben Jahr intensiv. «Kraft und Ausdauer – fünf Mal die Woche», sagt der reformierte Pfarrer von Visp VS. Luther muss fit sein: Denn am 4. Juli wird er in die Rekrutenschule von Moudon FR einrücken. Drei Wochen militärische Grundausbildung stehen ihm bevor, im Herbst dann ein dreiwöchiger Lehrgang der Armeeseelsorge.
Während der Grundausbildung muss er zunächst dasselbe wie alle Rekruten lernen. Im zweiten Ausbildungsteil geht es dann darum, die spezifischen Aufgaben eines Armeeseelsorgers zu kennen und das Gelernte zu trainieren. «Ich bin nervös und gespannt zugleich», sagt Luther. Die Idee für sein ungewöhnlich spätes Engagement in der Armee kam Luther durch einen Aufruf der Armee, sich für den Dienst als Armeeseelsorger zur Verfügung zu stellen.
Es fehlen Armeeseelsorger
Denn zurzeit fehlen der Armee rund 100 Armeeseelsorger, wie deren Chef, Stefan Junger, sagt.
Zuerst informierte Luther seine Frau über sein Vorhaben: «Sie war überrascht, fand die Idee dann aber gut.» Vergangene Woche machte er sein Vorhaben in der Oberwalliser «Rhone-Zeitung» publik. Seine Kirchgemeinde habe positiv reagiert, auch von der Kantonalkirche werde er unterstützt. Wenn alles klappt, wird er nach seiner Ausbildung in den kommenden Jahren mehrere Tage pro Jahr Dienst als Armeeseelsorger leisten.
Seine Tauglichkeit hat ein Armee-Arzt jedenfalls schon festgestellt. Auch zur Waffen-Frage hat sich Luther schon Gedanken gemacht: «Es gibt zwei Argumentationslinien im Neuen Testament: eine pazifistische und die Linie der Soldaten, die sich bekehren liessen – beide muss man als Demokrat respektieren», sagt Luther. Für ihn ist deshalb klar: Wenn eine Ausbildung an der Waffe zur Ausbildung gehöre, werde er diese auch absolvieren.
Austausch mit Rekruten
Luther reizt am Dienst in der Armee vor allem der Austausch mit den Rekruten. Stefan Junger meint: «Grundsätzlich geht es in der Armeeseelsorge darum, sich als Gesprächspartner zur Verfügung zu stellen. Eine universitäre Theologie-Ausbildung ist dafür notwendig, gepaart mit einer offenen, grundsätzlich ökumenische Haltung.»
Erst im letzten Dezember wurde der aus Deutschland stammende Pfarrer mit seiner Familie in Visp eingebürgert. Vor 16 Jahren hatte er sich für die damals auf zwei Jahre befristete Stelle beworben – und ist geblieben. Er fühle sich sehr wohl und aufgehoben: «Ich schätze die Mischung aus Tradition und Aufgeschlossenheit im Wallis».
Von der direkten Demokratie ist Luther begeistert: «In Deutschland wurde ich zum Beispiel nie gefragt, ob ich mit der Einführung des Euro einverstanden bin.» Mit seinem Engagement in der Armee will er seiner neuen Heimat Schweiz auch etwas zurückgeben.