Knopf im Ohr, Minikamera am Hemd: Mindestens 37 Kandidaten waren bei der theoretischen Führerscheinprüfung in Bern besser ausgerüstet als so mancher 007-Spion. Professionell und gewerbsmässig sollen Betrüger während mehrerer Monate theoretische Fahrprüfungen manipuliert haben, schreibt die «Berner Zeitung» unter Berufung aufs Berner Obergericht.
Bereits Ende Juni wurde ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft gesteckt. Er sei laut Ermittlern eine zentrale Figur des Betrugs, der immer ähnlich ablief.
Die Täter boten Prüflingen, die sich geringe Erfolgschancen ausrechneten, etwa wegen fehlender sprachlichen Fähigkeiten, Hilfe an. Für das Angebot soll unter anderem auf TikTok-Werbung gemacht worden sein.
Minikamera und Knopf im Ohr
Wenn die Prüflinge bereit waren, die 1500 bis 2500 Franken zu bezahlen, wurden sie mit allerlei Technik ausgestattet. Um den Körper bekamen sie einen Sender gebunden. Daran war eine kaum aufspürbare Minikamera befestigt, die als Hemdknopf getarnt war.
Über diese Kamera sah ein zugeschalteter «Theorie-Experte» die Fragen, von denen er dann den Kandidaten die Lösungen zuflüstern konnte. Die Prüflinge hörten ihn über einen kleinen Knopf im Ohr, der ebenfalls mit dem Sender am Körper verbunden war.
Schweizweites Problem
Bereits seit Anfang des Jahres sind die Berner Ermittler den Tätern auf der Spur. Drei Täter und 37 Prüflinge konnten bereits ausfindig gemacht werden. Der Service wurde vermutlich in der ganzen Schweiz angeboten, am häufigsten allerdings im Kanton Bern. Für die Täter war das Geschäft lukrativ: Die Deliktsumme soll sich auf mehrere Zehntausend Franken belaufen.
Solche Vergehen sind in der Schweiz kein Einzelfall. Schon im Sommer fielen in St. Gallen und in Zürich Prüfungsschummeleien auf. In St. Gallen war eine Nordmazedonierin aufgeflogen, nachdem sie mit Handy und Bluetooth-Kopfhörern zu schummeln versuchte. In Zürich stattete ein Mann einen Prüfling mit professionellem Schummel-Equipment aus. Blöd für den Täter: Der Prüfling war ein Undercover-Polizist.
In all diesen Fällen wurden nicht nur die Theorieprüfungen aberkannt: Die Täter und Prüflinge dürfen auch mit Strafen wegen «Erschleichung einer falschen Beurkundung» rechnen. Wie die Konsequenzen für den aktuellen Fall in Bern aussehen, konnte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der «Berner Zeitung» noch nicht beantworten. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (jl)