Es fing an mit Überwachung im Kassenbereich und endete mit versteckten Kameras in Brille und Kugelschreiber. Was wie ein Agentenfilm klingt, soll sich im Race-Inn in Roggwil BE abgespielt haben.
Mehrere Mitarbeiter erheben schwere Vorwürfe gegen den Geschäftsleiter Aldrin K.* (37). Darunter Enes R.* (25). Er arbeitete vier Jahre lang auf der Kartbahn, war hauptsächlich für den Empfang zuständig. «Im Januar 2019 fing Aldrin K. als Geschäftsleiter an. Im September fanden wir dann heraus, dass er uns überwachen liess. Nicht nur im Bereich der Kasse, was ich noch verstehen kann, sondern eigentlich überall im Race-Inn», sagt der ehemalige Mitarbeiter zu BLICK.
Kartbahn-Chef soll Mitarbeiter von zu Hause aus beobachtet haben
Mit der Überwachung habe der Kartbahn-Chef wohl versucht. die Mitarbeiter zu kontrollieren, um die Effizienz zu steigern, glaubt der 25-Jährige. Sein Chef habe jederzeit wissen wollen, was seine Angestellten machen. Besonders, wenn er selber nicht im Race-Inn war.
Enes R. zu BLICK: «Er konnte auch von zu Hause aus auf die Kameras zugreifen und uns beobachten. Als eine Kundin länger bei mir am Empfang stand, weil ich was abklären musste, schrieb mir Aldrin K. von zu Hause aus eine Nachricht per Whatsapp, was denn mit der Dame sei. Dazu schickte er mir einen Kamera-Screenshot von seinem Handy aus.»
Auch Kollegen von Enes R. machen solche Erfahrungen. Der Chef soll öfters von zu Hause aus angerufen haben, um Mitarbeiter zu korrigieren, wenn er zu Hause etwas beobachtet hatte über die Kameras.
Er erstattet bei der Polizei Anzeige
Neben den sichtbaren Kameras im Geschäft soll der Kartbahn-Chef auch versteckt gefilmt haben, glaubt Enes R. «Auf einmal hatte er immer einen Kugelschreiber bei sich. Doch das war kein normaler Stift. Als ich ihn mal selber in der Hand hatte, konnte ich sehen, wie immer wieder ein kleines, rotes Licht aufflackerte.» Auch eine Brille soll Aldrin K. mit einer versteckten Kamera ausgestattet haben.
Und nicht nur das: Neben den Video-Aufnahmen wurden offenbar auch Gespräche aufgezeichnet. Das soll er sogar selber zugegeben haben. Zum Beispiel, als ein Mitarbeiter nach einem Streit mit einem Kollegen zu ihm kam. Da soll er gesagt haben, dass er sowieso alles überwache und auch Tonaufnahmen mache.
Enes R. und seine Kollegen hätten ihn mehrmals darauf angesprochen und klar gesagt, dass sie damit nicht einverstanden seien. «Aber nicht passierte. Also habe ich Anzeige bei der Polizei erstattet», so der 25-Jährige.
Kapo Bern löscht Beweis-Videos
Nicht nur er geht zur Polizei. Drei Kollegen machen nach und nach eine Aussage. Auch sie beschreiben unzumutbare Zustände im Race-Inn. Überwachung, Kontrolle, versteckte Kameras. Ein Verfahren wird gegen Aldrin K. eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau bestätigt auf Anfrage von BLICK, dass eine «Untersuchung wegen des Vorwurfs der Verletzung des Geheim- und Privatbereichs durch Videoaufnahmegeräte läuft».
In diesem Zusammenhang übergibt Enes R. der Kantonspolizei Bern auch zwei Videos als Beweis für die Überwachung. Doch inzwischen gibt es die Aufnahmen nicht mehr. Sie wurden gelöscht – und zwar von der Polizei. Ein Versehen, wie es in einem Schreiben an Enes R. heisst. Das Problem: Die Aufnahmen hat er selber nicht mehr. «Ich hatte sie auf meinem alten Handy. Das habe ich aber Verwandten im Ausland geschenkt und dort wurde das Gerät zurückgesetzt. Die Videos sind weg.»
«Er hatte genug Zeit Spuren und Beweise zu vernichten»
Nicht der einzige Polizei-Patzer aus Sicht des Schweizers. Sein Anwalt habe eine Hausdurchsuchung bei Aldrin K. und bei Race-Inn gefordert, um Kameras und Beweismaterial sicherzustellen. Doch dazu kam es nicht. «Inzwischen weiss er, dass gegen ihn ermittelt wird. Und er hatte genug Zeit Spuren und Beweise zu vernichten.» Zu den gelöschten Videos will sich die Staatsanwaltschaft nicht äussern. Auch nicht, wieso keine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde.
Nach dem bekannt wurde, dass Enes R. gegen den Kartbahn-Chef Anzeige erstattete, folgte prompt die Kündigung. Auch die anderen Mitarbeiter, die bei der Polizei eine Aussage machten, arbeiten inzwischen nicht mehr bei Race-Inn. Auf Anfrage von BLICK will sich Aldrin K. nicht zu den Vorwürfen äussern.
* Namen geändert