Kirchgemeinde Walkringen BE
Pfarrer freigestellt – weil er Erbe nicht ausschlägt

Nach sechs Jahren wird Peter Raich von seiner Tätigkeit als Pfarrer in Walkringen BE nach seiner Kündigung freigestellt. Der Grund ist eine Hinterlassenschaft aus einer früheren Seelsorgetätigkeit. Der Vorfall sorgt in der Kirchgemeinde für mächtig Aufruhr.
Publiziert: 21.07.2020 um 21:52 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2020 um 11:30 Uhr
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Pfarrer Peter Raich verlässt die Kirche Walkringen BE per sofort.
Foto: Screenshot facebook
Carla De-Vizzi

Trotz sechs Jahren im Amt als Pfarrer der Kirche Walkringen BE hat Peter Raich jetzt alles hingeschmissen. Grund: Er möchte das Erbe einer Frau antreten, die er an einem früheren Arbeitsort als Seelsorger begleitet hat.

Dies kostet ihn seine aktuelle Stelle als Pfarrer. «Die Annahme von Geschenken, unter anderem einer Erbschaft, ist einer Pfarrperson nicht erlaubt, wenn dies mit ihrer pfarramtlichen Stellung in Zusammenhang steht oder stehen könnte», heisst es im Personalgesetz des Kantons Bern und der Pfarrschaft der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Dies berichtet die «Berner Zeitung».

Pfarrer wird umgehend freigestellt

Dass Raich das Erbe trotz «der wiederholten Forderung» der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und des Kirchgemeinderates annehme, bedauert Kirchgemeindepräsidentin Lisbeth Zogg (64) sehr: «Wir haben Peter Raich aufgefordert, das Erbe abzulehnen, doch er hat sich dagegen entschieden», sagt sie zu BLICK.

Seinen Beschluss habe Raich der Kirchgemeinde vor ein paar Wochen mitgeteilt. Der Pfarrer hat die Konsequenzen gezogen und offiziell auf Ende Oktober gekündigt. Dies war ein längerer Prozess. «Dass man als in einem Amt tätige Person keine Geschenke annehmen darf, wusste er», stellt Zogg klar.

Abgang des Pfarrers überrascht die Gemeinde

Da er sich mit seinem Entscheid gegen die Grundprinzipien der Kirche gestellt habe und die Sache deshalb so delikat sei, wurde er ab dem 13. Juli von allen pfarramtlichen Tätigkeiten freigestellt. «Der Kirchgemeinderat kann so etwas nicht akzeptieren», sagt Zogg.

In einem Brief informierte der Kirchgemeinderat letzte Woche die Gemeindemitglieder in Walkringen über den für viele sehr überraschenden Abgang des Pfarrers. Die Stimmung bei den Bürgern sei nun sehr gemischt. «Einige sind sehr traurig, dass er geht, andere tragen es mit Fassung.» Zudem ist klar: «Das Ganze gibt natürlich auch zu reden», sagt die Präsidentin zu BLICK.

Persönlichen Vorteil durch seelsorgerische Arbeit erhofft?

Letztlich gehe es um Werte wie Vertrauen und Integrität, wie sie für die Kirche zentral seien, sagt Lisbeth Zogg. «Unser Kapital ist Vertrauen.»

Ein Pfarrer dürfe nicht den Anschein erwecken, dass er sich durch seine seelsorgerische Arbeit einen persönlichen Vorteil erhoffe. So steht es im Personalgesetz der Pfarrschaft der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Dass sich Raich mit der Annahme der Hinterlassenschaft einen persönlichen Vorteil erhoffe, wolle ihm die Kirchgemeindepräsidentin nicht unterstellen.

Darüber, von wem das Erbe gekommen ist und wie hoch die Hinterlassenschaft ist, macht Lisbeth Zogg keine weiteren Angaben. «Das ist die Sache von Peter Raich», sagt Zogg. Sie unterstreicht aber, dass der Fall nicht mit Walkringen im Zusammenhang stehe, sondern irgendwo «am anderen Ende der Schweiz» anzusiedeln sei.

Kommt das Erbe aus Berlingen TG?

Wie die «Berner Zeitung» schreibt, sei die Geschichte mit dem Erbe möglicherweise auf seine Anstellung in der Schweizer Gemeinde Berlingen TG am Bodensee zurückzuführen.

Vor seiner Zeit in Walkringen war Raich knapp zwei Jahre lang dort als Pfarrer tätig. In einem Wohn- und Pflegeheim betreute er auch die Bewohner. Peter Raich selbst betont jedoch, dass das Erbe in keinem Zusammenhang mit seinem Engagement im Heim stehe.

Er wolle das Erbe «aus moralischen Gründen» annehmen. Zudem denke er nicht, dass sein Entscheid ausserhalb der Berner Landeskirche eine weitere pfarramtlichen Tätigkeit ausschliesse. Dennoch: «Ob ich das in Zukunft noch will und kann, muss ich zunächst mit meinem Gewissen prüfen.»

Vorfall führt zu Mehrausgaben

Noch bis Ende August wohnt Peter Raich im Pfarrhaus Walkringen. Dann ziehe er «in die Nähe von Zürich».

Gemäss Lisbeth Zogg sei die derzeitige Situation für die Kirchgemeinde Walkringen nicht einfach. Viele Leute hätten die Arbeit von Peter Raich sehr geschätzt und verstünden nicht, wieso der Pfarrer nun wegen eines Erbes aus einer früheren Anstellung Walkringen nicht länger erhalten bleibe.

Mittlerweile habe man schon für eine Übergangslösung gesorgt: Die pfarramtlichen Tätigkeiten im August würden von der Regionalpfarrerin Anita Zocchi koordiniert. Ab September werde der pensionierte Pfarrer Klaus Stoller den ehemaligen Pfarrer vertreten. Wegen der Umstände kämen nun Mehrausgaben auf die Kirchgemeinde zu. Doch man sei bereit, diese in Kauf zu nehmen.

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