Kinderschänder vom Bielersee
Er spazierte aus dem Knast und missbrauchte ein Mädchen

Beim Fischen haut der Kinderschänder ab und vergewaltigt ein Kind. Danach kehrt er seelenruhig in seine Haftzelle zurück.
Publiziert: 31.10.2009 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:19 Uhr
Von Karin Baltisberger, Gabriela Battaglia und Adrian Schulthess

Seine Flucht ist so simpel, dass sie gar keine ist. Der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter Yan H.* (37) schwimmt einfach aus dem Massnahmen-Zentrum St. Johannsen davon.

Nach dem Abendessen um 17 Uhr meldet er sich zum Fischen ab. Dann steigt er in den Zihlkanal. Durchquerte ihn. Spaziert fünf Kilometer zum Strandbad Saint Joux in La Neuveville BE.

Am Bielersee vergeht er sich brutal an einem Mädchen. Und kehrt seelenruhig in seine Zelle zurück.

Alles unbemerkt vom Sicherheitsdienst von St. Johannsen. Dessen Patrouillen haben den Ausflug des Häftlings nicht registriert. Erst als am nächsten Tag die Polizei Yan H. abholt, wird klar, dass der Insasse überhaupt weg gewesen ist.

Aber das ist nur ein Puzzleteil eines unglaublichen Justizskandals.

Der Bieler Pfarrerssohn Yan H. hatte schon als Teenager eine Schwäche für kleine Mädchen. Grabschte, täschelte. Sein Beuteschema: Kinder im Vorschulalter mit langem blondem Haar.

Ende zwanzig fasst er zum ersten Mal eine mehrjährige Gefängnisstrafe – wegen sexuellen Handlungen mit Kindern. Er kommt nach St. Johannsen. Dort sitzt er mindestens zwei Jahre ab.

Wohnung neben Kinderspielplatz

Als Yan H. wieder freikommt, heiratet er eine Thailänderin namens Tong (25). Sie bringt zwei kleine Kinder in die Ehe mit: zwei Mädchen.

Das Ehepaar hat zwei Wohnungen in einem Haus in Biel. Frau und Kinder wohnen im ersten Stock. Yan H. lebt im Parterre – mit Blick auf den Kinderspielplatz.

Er gibt sich als Kinderfreund, hat Regale voller Spielzeug, Sändelisachen, Puppen.

«Er war beliebt, lud zu Grillpartys, war sehr aufmerksam, was kleine Kinder betrifft. Und hat genau beobachtet, was sie tun. Ich dachte erst, er sei Kinderpsychologe», sagt eine Nachbarin.

Im Dezember 2007 schickt er Frau und Töchter zurück nach Thailand.

Nachbarn hatten Angst

Yan H.s Vorstrafe spricht sich im Quartier herum. Eines Tages zieht er einem 5-jährigen Mädchen Hose und Slip runter.

Zur Rede gestellt, entschuldigt sich der Hobby-Feuerwehrmann. «Er sagte, er habe nur schauen wollen. Ausserdem wisse er, dass er ein Problem habe, er sei in Therapie», erzählt eine Bekannte.

Zwei Mütter fangen an, auf dem Spielplatz Wache zu schieben, sie wechseln sich beim Bewachen der Kinder ab.

Trotz der Aufmerksamkeit der Eltern schafft es der Pädophile, sich an mehreren Mädchen zu vergehen. Im Juli 2008 wird er verhaftet.

Im Januar 2009 kommt Yan H. wieder nach St. Johannsen. In den vorzeitigen Haftantritt. Therapiert wird er nicht.

Am 14. Mai erhält der 37-Jährige sein Urteil: 3 Jahre und 6 Monate. Fortan arbeitet er auf dem Gemüsefeld, entwickelt eine Vorliebe fürs Fischen.

Einmal wird er erwischt, wie er bis zur Taille im Wasser des Zihlkanals steht. Was den Häftlingen eigentlich als Fluchtversuch ausgelegt wird.

Die Strafe für den vorbestraften Kinderschänder: zwei Wochen Angelverbot.

Andere Häftlinge bemerken, dass er nachmittags am liebsten den Kinder-TV-Sender Kika schaut. Sie melden es. Die Auskunft der Vollzugsleitung: Das sei nicht etwa, weil Yan H. sich daran aufgeile. Er sei halt selber noch ein Kind.

Der Kinderschänder darf unbegleitet in den Urlaub

Im Führungszeugnis hält St. Johannsen fest: «H. ist ein äusserst sozialer und aktiver Eingewiesener.» Und: «Er konnte sich durch seine schlagfertige Art einen Platz in unserer Institution verschaffen.»

Schliesslich darf Yan H. jedes dritte Wochenende in den Urlaub. 24 Stunden, unbegleitet.

Seine früheren Nachbarn sind entsetzt, als sie Yan H. im Juni mit dem Velo um den Spielplatz fahren sehen.

Doch all das genügt nicht. Die Anstaltsleitung lässt den nicht therapierten Kinderschänder weiter unbewacht zum Angeln.

Und als er Ende August rückfällig wird, wollen die Behörden den Skandal vertuschen (im BLICK).

Am liebsten würden sie auch jetzt nichts sagen. Anstaltsleiter Franz Walter erklärte gestern bloss: «Kein Kommentar.» Und der zuständige Untersuchungsrichter Pascal Fischer mochte sich grad gar nicht äussern.

*Name der Redaktion bekannt

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